Sozialer Trainingskurs STK 2
"Schuldenfrei 2000" - Schulden vermeiden - Schulden bewältigen

In der Zeit vom 03.05. bis zum 26.07.00
- Projektbericht .






[English summary at the end of this page!]
 
 

Ein sozialpädagogischer Trainingskurs für Probandinnen und Probanden der Bewährungshilfe in Berlin-Reinickendorf in Zusammenarbeit der Bewährungshilfe bei der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport, Bewährungshelfer Hans-Joachim Wendt, des Deutschen Familienverbandes, Landesverband Berlin, Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle Berlin-Reinickendorf, Wilfried Rosellen, gefördert durch den "Club Fair Play" bei dem Bezirksamt Berlin-Reinickendorf, Jugendgerichtshilfe, Werner Hanack
 
 
 
 

Zur Vorgeschichte:

Wegen der großen existentiellen Bedeutung für unsere Probanden hat die Hilfe in Verschuldungssituationen für diese hohe Priorität.
Schuldenberatung und Regulierung ist daher seit Anbeginn als eine der Primäraufgaben des Bewährungshelfers anzusehen.
Auf diesen Umstand wurde und wird in zahlreichen Fachveröffentlichungen immer wieder hingewiesen. (Vgl. hierzu http://www.forum-schuldnerberatung.de/veroeff/aufgbwh.htm)
Zurecht weist Schmitt in seinem Aufsatz darauf hin, daß nicht nur wegen der Dringlichkeit der Schuldenregulierung und der langen Wartezeiten bei den Schuldnerberatungsstellen, sondern auch wegen der Besonderheiten der Verschuldung unserer Probanden die Bearbeitung der Verschuldungslage der Probanden in die Hand des Bewährungshelfers gehört, und "...Bewährungshilfe sogar die erste Institution ...war..., die systematisch Schuldnerberatung durchführte und zwar schon in den 50er Jahren..." (ebenda).

Bereits im Jahre 1998 wurde vom Verfasser ein sozialpädagogischer Trainingskurs mit dem Thema "Schulden vermeiden und bewältigen" in der Zeit vom 22. April bis 10. Juli 1998 mit Erfolg durchgeführt. Das Konzept, das Setting und die gemachten Erfahrungen und mit den Probanden erzielten Ergebnisse wurden in einem ausführlichen Abschlußbericht zusammengefaßt und unter Anderem auch im Internet auf der Homepage der Berliner Bewährungshilfe:www.bewaehrungshilfe-berlin.de veröffentlicht.

In der Folgezeit hat sich bei der Betreuung der dem Verfasser unterstellten Probandinnen und Probanden gezeigt, daß die soziale, arbeitsmäßige und Verschuldenssituation sich individuell für den einzelnen Betroffenen nicht verbessert hat, sondern gegenteilig durch verschärften Wettbewerb am Arbeitsplatz in der sozialen Gemeinschaft und allgemein gesellschaftlich eher noch verschärft hat.
Hinzu kommt, daß der betreute Personenkreis zunehmend aggressiven Werbemethoden insbesondere in den Bereichen ausgesetzt ist, die die soziale Stellung der ohnehin schwach privilegierten jungen Straffälligen besonders markiert und sie veranlaßt, durch vermeintlichen Besitz ihre Stellung innerhalb der Gruppe Gleichbetroffener scheinbar zu verbessern.
Hier ist insbesondere der breit gefächerte Konsumgütersektor zu benennen, Statussymbole, wie gebrauchte, oft sehr große Autos, teure Musikanlagen und hochwertige Mobiltelefone oder Beitragsforderungen von Fitnessstudios sollen hier nur beispielhaft angeführt werden.
Aber auch Straftatenfolgeschulden, wie Gerichts- und Anwaltskosten, Prozeß-gutachtenkosten, Schmerzensgeld und Verdienstausfall, sowie damit zusammenhängende zivilrechtliche Forderungen haben ebenso Bedeutung, wie Mietschulden und Schulden bei Versicherungen.
Kaum einer der betreuten jungen Leute ist von dieser, oft objektiv existenzbedrohenden und meist ebenso erlebten Thematik nicht mittelbar oder unmittelbar betroffen.
Seit der letzten erfolgreichen Gruppenarbeit zu dieser Thematik im Frühjahr/Sommer 1998 haben sich die institutionellen Rahmenbedingungen der Berliner Jugendbewährungshilfe strukturell weiter in erheblichem Maße verändert.
Neben belastenden Themen, wie drohender "Abschichtung" des Sach- und Fachgebietes Bewährungshilfe im Rahmen der politisch forcierten Bezirks-Verwaltungsreform, die die Mitarbeiter oft in erheblichem Maße emotional und zeitlich beansprucht, da diese strukturelle Maßnahme von Seiten der betroffenen Mitarbeiter keinerlei fachlich begründbare Zustimmung finden kann, verschlechtern Sparzwänge und formalisierte Denk- und Handlungsweisen die institutionellen Rahmenbedingungen für die Betreuung unserer Klienten.
Die damit verbundenen, oft frustrierenden und langatmigen Diskussionen, die mit inhaltlicher Ausgestaltung der Betreuungsarbeit oft nichts gemein haben, wirken auf das Arbeits- und Motivationsklima im Sachgebiet Bewährungshilfe zurück. Steigende Überalterung der Mitarbeiter, verbunden mit kaum ausreichendem jüngeren Personalnachwuchs, verbunden mit zahlenmäßigem Personalabbau führen zu stärkerer subjektiver, aber auch objektiver psychischer und physischer Arbeitsbelastung der einzelnen Bewährungshelfer.
Hierbei sind stetig anwachsende Betreuungsfallzahlen verbunden mit kaum inhaltlich ausgerichteten interstrukturellen Abläufen als belastende Faktoren zu benennen.
So sei nur beispielhaft aufgeführt, daß der Verfasser im Jahre 1975 in die Berliner Jugendbewährungshilfe eingetreten ist und dort für den örtlichen Bereich Berlin-Reinickendorf, "Märkisches Viertel" mit einem weiteren Kollegen zuständig war. Der örtliche Bereich Berlin-Reinickendorf war personell insgesamt mit sechs Mitarbeitern ausgestattet.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt betreut der Verfasser den Bezirk nur noch allein und mit der vagen Aussicht, "irgendwann Entlastung aus dem Personalüberhang" zu bekommen. Dies führt zu derzeitgen Betreuungszahlen von ca 90 - 95 Betreuungsfällen.

Gleichwohl wachsen die inhaltlichen Herausforderungen der Betreuungsarbeit und verlangen eine adäquate Reaktion auf das zunehmende Betreuungsbedürfnis unserer Klientel.
Diese kann bei zunehmender quantitativer Belastung einerseits darin bestehen, daß Arbeitsabläufe gestrafft und entformalisiert werden, z.B. dadurch, daß die Teilnahme an Gerichtsterminen auf das inhaltlich notwendige Maß beschränkt wird, daß schriftliche Berichterstattung auf ein notwendiges Maß zurückgeführt und die Zusammenarbeit mit den Richtern und Gerichten im Rahmen mündlicher Absprachen gestrafft wird, Hausbesuche stark eingeschränkt werden und Sprechstundentermine nicht mehr in der gewohnten Dichte vergeben werden können, als Reaktion auf stetig zunehmende Fallzahlbelastung. Die formale und inhaltliche Arbeitsweise ist somit den veränderten institutionellen Rahmenbedingungen soweit wie möglich anzupassen.

Gleichzeitig verstärkt sich jedoch der Druck inhaltlicher, erfolgreicher Problemlösung im Sinne der Betreuungsarbeit mit den Jugendlichen und Heranwachsenden in den geführten Einzelgesprächen.
Die Problemdichte bei den unter Bewährung stehenden Klienten, aber auch bei den übrigen nach den Vorschriften des JGG Betreuten nimmt signifikant und spürbar zu.
So ist festzustellen, daß die Zahl der psychisch oder psychiatrisch auffälligen Probanden, die zudem oft auch unter Amtsbetreuung stehen, stark zunimmt.
Raub- und andere Gewaltdelikte bestimmen neben schweren Einbrüchen und Drogendelinquenz das Klientel, das unter zunehmender sozialer Deprivation, Isolation, emotionaler und familiärer Kälte und Hilflosigkeit gegenüber sich immer rascher wandelnden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen leidet.
Die Ursprungsfamilien, die oft in Trennung leben, oder wo ein Elternteil allein erzieht finden keine angemessene Antwort auf diese Probleme, bei denen die Identifikation mit einer bestimmten sozialen Schicht oder Gruppe meist ausschließlich von materiellen Statussymbolen abhängig ist und somit die Kinder und Jugendlichen auf eine verhängnisvolle Erfahrungsschiene setzt.
Ein weiteres bemerkenswertes Phänomen ist die Tatsache, daß der Einstieg in die Verschuldung heute bereits Jugendliche und Heranwachsende betrifft.
Banken locken Lehrlinge, Jugendliche und Schüler mit dem eigenen Girokonto, mögliche Überziehung werden dabei, obgleich dies offensichtlich rechtswidrig ist, selbstverständlich zulassen, und die Konsumindustrie wirbt massiv um die Gunst der zukünftigen, vermeintlich zahlungskräftigen Kunden.
Durch zunehmende, von der Wirtschaft werbungsgesteuerte Konsumbedürfnisse werden Jugendliche heute zu markenorientiertem teuren Konsumverhalten verleitet, welches nur zum geringen Teil durch eigenes Einkommen gedeckt ist.
Teilweise wird die so entstehende Finanzierungslücke durch kompensatorisches Elternverhalten (Wohlstandsverwahrlosung), andererseits durch die Suggestion des leicht verfügbaren Geldes mittels Kreditkarten, Girokonto und Kredit temporär überdeckt.

So ist der betreuende Bewährungshelfer oft als allerletzte helfende Instanz vor drohendem Strafvollzug oder wirtschaftlicher Existenzvernichtung durch Überschuldung und Pfändung gefragt und angesprochen. Er soll helfen, Antworten geben, aber gleichzeitig auch befähigen, künftig ein straffreies Leben ohne fremde Hilfe zu führen.
In der dargestellten Situation kann Gruppenarbeit als zusätzliche, ergänzende oder zeitlich befristet ausschließliche Betreuungsform der Bewährungshilfe eine angemessene Antwort und Hilfestellung darstellen.
Der Verfasser verfügt neben einer kontinuierlichen, fundierten Zusatzausbildung und Qualifikation über jahrzehntelange Erfahrung in der Gruppenarbeit mit Straffälligen und hat hierzu auch mehrfach veröffentlicht. Eine entsprechende schriftliche Arbeit zur Erlebnispädagogik als besondere Betreuungsform für jugendliche Straftäter ist mit dem Ziel einer Promotionsvorlage in Vorbereitung.
Neben anfänglichen, jahrelang durchgeführten themenzentrierten Gesprächsgruppen, wurden ebenso lange erlebnispädagogische Trainingskurse und Gruppenarbeitsprojekte durchgeführt, mit Jugendlichen im Rahmen von Langzeitgruppen auf Segelschiffen zur See gefahren und während Zeiten zunehmender öffentlicher Mittelknappheit sog. "niederschwellige" Gruppenkonzepte angeboten.
Hier liegen insbesondere Erfahrungen mit offenen "Frühstücksgruppen" für arbeitslose Probanden und Angebote von "City-bound" Gruppen vor.
In Zusammenarbeit mit der Jugendgerichtshilfe Berlin-Reinickendorf, Club "Fair play", Herrn Werner Hanack wurde erstmalig 1998 eine zeitlich befristete Schuldenberatunsgruppe "Schulden vermeiden - Schulden bewältigen", angeregt durch eine gleichnamige Software des erziehungswissenschaftlichen Instituts der Universität Kiel mit großem Erfolg angeboten und die gemachten Erfahrungen veröffentlicht.

In den vom Verfasser mit seinen Sprechstundenräumen mitgenutzten Betreuungs- und Beratungszentrum Berlin-Reinickendorf, Am Nordgraben 1 befindet sich seit 1999 die Schuldner- und Insolvenberatungsstelle des deutschen Familienverbandes, Landesverband Berlin, die betroffene überschuldete Personen ohne Altersbegrenzung in Einzelgesprächen berät und bei der Lösung ihrer Probleme unterstützt.
Die Beratungsstelle führt auch Informationsgruppenabende zur Einführung in das seit dem 01.01.99 geltende neue Privat-Insolvenzrecht durch.
Aus dieser, zunächst rein räumlichen Konstellation ergab sich für den Verfasser die Möglichkeit, neue Kooperationsmodelle anzudenken, vorzuschlagen und nun auch zu erproben.
Zunächst bot sich die Möglichkeit der zuhörenden Teilnahme an einer Gruppen-Informationsveranstaltung, die der Mitarbeiter der Beratungsstelle, Herr Wilfried Rosellen regelmäßig durchführt.
Der Gedanke der Nutzung der sich anbietenden fachlichen Kompetenz und des persönlichen Engagements auch für den von mir betreuten Personenkreis lag nahe.
Da der Verfasser durch den dargestellten Problemdruck und das jahrelange Engagement für Gruppenarbeit ohnehin plante, wieder einen derartigen themenzentrierten Sozialen Trainingskurs zur Schuldenbewältigung anzubieten, wurde die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit Herrn Rosellen angesprochen.
Dieser war von der Idee begeistert, die für ihn die Möglichkeit bot, intensivere Formen der thematisch orientierten und gruppendynamisch ausgerichteten Gruppenarbeit kennenzulernen und zu erproben.
Die geführten Vorgespräche konkretisierten sich zu einer gemeinsamen Planung entsprechend der Konzeption des STK 1 "Schuldenfrei" und einer Terminplanung, wöchentlich einmal, jeweils mittwochs beginnend am 03.05.00 in der Zeit von 18:00 bis ca. 20:00 Uhr.
 
 
 
 

Zum Konzept und inhaltlicher Ausgestaltung:

Zur Wirksamkeit der Methode der Gruppenarbeit bei der Betreuung von Probanden der Bewährungshilfe ist hinreichend veröffentlicht worden. (vgl. u.a.: Lippenmeier e.a. 1976, Lippenmeier 1977, Wendt 1979 1981, 1997-99, Reckling 1998, Reckling 1999).
Gruppenarbeit bietet sich als effektive Methode der Betreuung jugendlicher und heranwachsender Probanden der Bewährungshilfe insbesondere dann stets an, wenn homogene oder vergleichbare Problemstrukturen und Fragestellungen themenzentrierte Arbeitsformen ermöglichen. Die Betreuten kennen Gruppen als primäre Formen menschlichen Zusammenlebens teilweise, soweit annähernd intakt, aus ihren Familien, sowie Geschwisterreihen, aus dem Kindergarten, Hort und der Schule.
Auch die Freizeit, sowie spätere Organisationsformen, beispielsweise in Cliquen und auf der Straße sind gruppenstrukturell mit allen Vor- und Nachteilen organisiert. Die Gruppe bietet hier den Vorteil klarer, hierarchisch transparenter Normen und damit für den Einzelnen die Einbindung in eine Gemeinschaft, die erforderlichenfalls auch füreinander und für die Verteidigung der Normen und Gruppenziele nach Außen eintritt.
Nachteilig gestaltet sich die Gruppenzugehörigkeit für den Einzelnen dann, wenn die Gruppe gesellschaftlich abweichende Normen internalisiert und beispielsweise durch gesellschaftlich abweichendes und sanktioniertes Verhalten auffällig wird und dies zu Straffälligkeit führt.

Auch im Rahmen der Einzelsprechstunden des Bewährungshelfers treten Probanden häufig nicht allein, sondern in Begleitung von Freunden und Mitgliedern ihrer Clique auf.
Hier bietet sich dann für den Bewährungshelfer der Ansatzpunkt, durch Einbeziehung der Begleitpersonen in das Gespräch den sozialen Umgang seines Probanden kennenzulernen und inhaltlich mehr über die Normen, Ziele und das Gruppengefüge der Primärgruppe "seines" Schützlings zu erfahren.

Es bietet sich geradezu an, aus dieser zunächst eher zufälligen und unstrukturierten Vorgehensweise gemeinsam interessierte Themen (hier z.B. "Schuldenberge") zu extrahieren und deren Bearbeitung in Form von Gruppenarbeit zu organisieren.
Dies setzt allerdings neben der "allgemeinen" Bereitschaft zur Akzeptanz dieser besonderen Betreuungsform durch den Bewährungshelfer eine positive Grundhaltung zu den Betreuten ebenso voraus, wie die Hoffnung auf Veränderungsmöglichkeiten in der Person des/der Betroffenen, aber auch Hilfemöglichkeiten durch gesellschaftliche Instanzen, z.B. durch Banken, Versicherungen und Gläubiger bei durchzuführenden Vergleichs- bzw. Umschuldungsverhandlungen.
Neben diesen eher grundsätzlichen Voraussetzungen ist, insbesondere bei dem hohen Schwierigkeitsgrad und der ausgeprägten persönlichen Problematik der Jugendlichen und Heranwachsenden eine fundierte zusätzliche Fachausbildung zu grundsätzlichen Methoden und Interventions- und Interaktionsformen in Gruppen Voraussetzung für eine erfolgreiche thematisch zentrierte Gruppenarbeit.
 
 

Sozialer Trainingskurs "Schuldenfrei 2000" - Die Planungsphase

Eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen einer themenzentrierten Projektgruppe besteht in der ausreichenden, vorausschauenden und langfristigen Planung und Vorbereitung.
So auch bei unserem diesjährigen Projekt.
Zunächst war es von mir geplant, die Gruppe 2000 zusammen mit einem Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe Berlin-Reinickendorf durchzuführen, da diese Zusammenarbeit erprobt war und im Sinne vorbeugender Arbeit mit strafrechtlich gefährdeten Jugendlichen erfolgversprechend erschien.
Der Mitarbeiter der ersten Schuldenberatungsgruppe aus dem Jahre 1998 stand aus grundsätzlichen Erwägungen nicht mehr für eine Mitarbeit zu Verfügung, da er seine Aufgabe in der Initiierung neuer Projekte, nicht jedoch in einer langfristigen Mitarbeit sieht und sich in weiteren Gruppen engagiert.
Ein weiterer Mitarbeiter zeigte zunächst abwartende Bereitschaft und Interesse, als Koleiter zur Verfügung zu stehen, fand aber in der Planungsphase seinen neuen beruflichen Wirkungskreis ebenfalls als Bewährungshelfer, allerdings im Bezirk Berlin-Charlottenburg und konnte nun wegen der räumlichen Entfernung und seiner eigenen Einarbeitung nicht gewonnen werden.
Da sich aus grundsätzlichen Erwägungen die Durchführung einer derartigen Veranstaltung allein durch einen einzigen Sozialpädagogen nahezu ausschließt und nicht in der Intention des Verfassers liegt, bot es sich an, mit der hiesigen Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle des Deutschen Familienverbandes, Landesverband Berlin, die ihre Tätigkeit im gleichen Gebäude eingerichtet und etabliert hat, Kontakt aufzunehmen und eine Zusammenarbeit im Rahmen der Gruppe anzustreben.
Bereits bei ersten Kontaktgesprächen zeigte sich Wilfried Rosellen sehr interessiert, die ihm bekannte Schuldenproblematik auch in anderem Arbeitszusammenhang und in Verbindung mit Bewährungshilfearbeit kennenzulernen und seinen Sachverstand einzubringen.

In Anlehnung an die Erfahrungen der Projektgruppe 1998 wurden zunächst 12 zusammenhängende Sitzungstermine, jeweils mittwochs von 18:00 bis 20:00 Uhr vorgesehen, beginnend am 03. Mai , endend am 26. Juli rechtzeitig vor Beginn der Sommerferien 2000 und der Hauptferienzeit.
Zur Erprobung der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen der Insolvenzberatungs-stelle als freiem Träger einerseits und der Jugendbewährungshilfe als öffentlichem Maßnahmenträger wurde die Bereitstellung von drei Gruppenplätzen für die Beratungsstelle vorgesehen.
Mit dieser Konstellation sollte Erfahrungs- und Erlebnisaustausch zwischen eher älteren ("erwachsenen") verschuldeten Klienten und der jüngeren Klientel der Bewährungshilfe erprobt werden. Hiervon versprachen wir uns, neben der institutionellen Akzeptanz der Zusammenarbeit beider Gruppentrainer auch die Möglichkeit eines emotionalen Generationenaustausches mit vielfältigen unterschiedlichen Erfahrungen zum Thema "Schuldenmachen" und der Schuldnerrolle als längerfristige Lebensperspektive.

In wiederholten Einzelgesprächen wurden vom Verfasser insgesamt 14 jugendliche und heranwachsende Probanden mit erheblicher Schuldenproblematik für die Gruppenteilnahme angesprochen und motiviert.
Diese erhielten sämtlichst einen DINA A 4-Hefter mit dazugehörigen strukturierten Trennblättern zur Sammlung ihrer diesbezüglichen Unterlagen mit der Aufforderung, bis zum Gruppenbeginn ein Gläubigerverzeichnis zusammenzustellen und die gegen sie anhängigen Forderungen aufzustellen.
Das Projekt wurde darüber hinaus im Gesamtsachgebiet Jugendbewährungshilfe bekanntgemacht mit der Möglichkeit, daß Kollegen aus anderen Stadtbezirken einzelnen überschuldeten Jugendlichen die Teilnahme zu empfehlen.

Es meldete sich schließliche eine Klientin des Deutschen Familienverbandes zur Gruppenteilnahme, mit der ein vorbereitendes Einzelgespräch mit dem Hinweis auf die Struktur der übrigen zu erwartenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer geführt wurde.
Sie zeigte sich, zumal sie selbst Kinder in vergleichbarem Alter hat, sehr an der Gruppenteilnahme zur Lösung ihrer Überschuldungsproblematik interessiert.

Von zwei Kolleginnen der Jugend-Bewährungshilfe wurden insgesamt drei Probanden zur Teilnahme avisiert, von denen lediglich einer zum Vorgespräch erschien und sich ebenfalls interessiert zeigte.

Das bereits bewährte Konzept, fachkundige Gäste und Referenten zum Thema einzuladen, wurde ebenfalls wieder aufgenommen.
So konnten auch diesmal wieder:

motiviert werden, kostenlos für jeweils einen Gruppenabend für Fragen und Auskünfte für die Gruppenmitglieder zur Verfügung zu stehen.

Schwierig war es zunächst, wider unserer Erwartung, einen Zivilrichter zur Teilnahme zu gewinnen.
Alle zunächst nach dem "Zufallsprinzip" telefonisch angesprochenen Richterinnen und Richter lehnten mit unterscheidlichen Begründungen ab.
Einerseits wurde auf die bekanntermaßen hohe Arbeitsbelastung in den Zivilgerichten hingewiesen, andererseits habe man mit dem seit dem 01.01.99 geltenden Privat-Insolvenzrecht noch keine ausreichenden Erfahrungen.
Auch der dann vom Verfasser angesprochene Dirketor des Amtsgerichts Wedding konnte nicht weiterhelfen, stellte diese Möglichkeit nur dann in Aussicht, wenn es gelänge, für den Abend ein Honorar für den Referenten bereitzustellen.
Es blieb allerdings bei den geführten Gesprächen auch der Eindruck von Berührungsängsten dahingehend, daß man als Richter den Schuldnern, bzw unter Bewährungsaufsicht stehenden Jugendlichen und Heranwachsenden nicht ausserhalb des Gerichtssaals mit seinem festgelegten Rollengefüge gegenübersitzen wolle.
Schließlich konnte auf Vermittlung des hauptsächlich für Berlin-Rewinickendorf zuständigen Jugendrichters des Amtsgerichts Tiergarten, Herrn Müller-Reinwarth, dem an dieser Stelle ausdrücklich gedankt werden soll, und mit dem eine sehr gute, langjährige Zusammenarbeit unterhalten wird, Herr Bruckmann, Zivilrichter am Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg für die Gesprächsrunde gewonnen werden.

Die Sachgebietsleitung Jugendbewährungshilfe, Herr Beckmann, wurde von der bestehenden Planung eines neuen Sozialen Trainingskurses unterrichtet und stellte die Bewilligung von Sachmitteln für Ordner, Stifte, Papier, Getränke und Kekse für die Gruppenabende in Aussicht. Hierfür wurde ein gesonderter Antrag gestellt, der, abgesehen, von einem erbetenen Flipchart, auch bewilligt wurde.

Auch von Seiten der Jugendgerichtshilfe Berlin-Reinickendorf erfuhr das Projekt dankenswerte Unterstützung.
So stellte der Club "Fair play" , ein Förderprojekt für unterschiedliche Formen Sozialer Trainigskurse im Bereich der Gefährdeten-Jugendarbeit in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz und der Jugendgerichtshilfe Reinickendorf, Herr Hanack, eine Flipcharttafel, Ordner und Trennblattmaterial für unser Projekt zur Verfügung.

Von den insgesamt 12 Gruppenterminen wurden zunächst fünf Termine für die Gruppenfindung, sowie erste Einzelfallbearbeitung vorgesehen, ehe für die 6. und 7. Sitzung die ersten beiden Gästeeinladungen vorgesehen wurden.
Für das 8. Gruppentreffen widerum war die Einzelfallbearbeitung in der Gruppe möglich, zur 9. Sitzung hatte sich der Zivilrichter angekündigt.
Die restlichen 3 Sitzungen standen für weitere Einzelfallbearbeitung und eine abschließende Auswertung zur Verfügung.
Angedacht war weiterhin, bei entsprechender Akzeptanz durch die Gruppe, die Möglichkeit eines Nachbereitungstreffens mit Erfahrungs- und Ergebnisaustausch im Herbst 2000.
 
 

Der Gruppenbeginn (Die ersten 5 Sitzungen vom 03.05. - 07.06.00)

Jeder Neubeginn einer Gruppenarbeit ist auch für den/die Gruppenleiter ein "Erlebnis", dem gespannt entgegengesehen wird.
So auch bei dieser Gruppe wieder.
Im Vorfeld rief ein ehemaliger Proband an, dem seine vorzeitige Entlassung zur Bewährung aus der Strafhaft in Aussicht gestellt wurde, mit der Auflage, sich einen Bewährungshelfer zu suchen und mit diesem seine Überschuldungsproblematik zu regelen.
Nach Rücksprache mit der Haftanstalt konnte er noch für den Gruppenbeginn am zweiten Abend eingeladen werden, nachdem er Hafturlaub für die Teilnahme erhalten hatte.

Es erschienen von 14 angesprochenen und eingeladenen Probandinnen und Probanden insgesamt 7 Teilnehmer zur ersten Sitzung.

Thematisch hatte der Verfasser zum Beginn ein "Partnerinterview" zu folgenden Fragestellungen vorbereitet:
 


Als "Diskussionsthesen" wurden Wandfahnen mit folgendem Inhalt dargeboten:
 


Dankenswerter Weise konnte die Gruppe im "Beratungszentrum" einen eigenen Gruppenraum nutzen, der nur gelegentlich mit einer Unterrichtsgruppe des Sozialmedizinischen Dienstes zu teilen war.
Dies bedeutete, daß die Interview-"Wandfahnen" unserer Gruppe an den Wänden belassen werden konnten und der Raum auch sonst nach eigenen Bedürfnissen genutzt und gestaltet werden konnte, eine Tatsache, die die Identifikation der Gruppenmitglieder mit "Ihrer Gruppe" wesentlich erhöht und die Gruppennormbildung fördert.
Darüber hinaus stand ein eigenes PC-System für die Gruppe zur Verfügung, das der Verfasser eigens für diese Gruppe zusammengestellt hatte.
Auf dem Gerät war lauffähig die Schuldenberatungssoftware der Uni Kiel "Schulden vermeiden - Schulden bewältigen" vorgehalten, die schon bei der letzten Gruppenarbeit 1998 genutzt worden war. Darüber hinaus stand ein Textverarbeitungs- und ein Tabellenkalkulationsprogramm zur Verfügung, ebenso wie ein Drucker zur sofortigen Erstellung von Schriftsätzen an Gläubiger und Institutionen.
Für einen "angenehmen" äußeren Rahmen sorgten zu jeder Sitzung frische, gekühlte Getränke und Kekse.

Zur ersten Sitzung wurden die Teilnehmer zunächst in die Methode des "Partnerinterviews eingeführt und gebeten, sich einen Gesprächspartner zu suchen und mit sich diesem
ca. ½ Stunde zu den Interviewthemen, die für jeden Teilnehmer kopiert waren, zu unterhalten.
Diese zunächst sicherlich ungewohnte Übung wurde mit Begeisterung angenommen und fröhlich redend zogen sich die TeilnehmerInnen in verschiedene "Ecken" des Gebäudes zurück.
Mit viel Engagement und Einfühlungsvermögen haben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer miteinander ausgetauscht, angeregt unterhalten und anschließend gegenseitig in der Gruppe vorgestellt.
Hierbei stellten die Trainer gezielte und psychodynamisch ausgerichtete Zwischenfragen, unterstützten das selbstexplorative Gespräch und vervollständigten die gesammelten Statements zu den einzelnen vorgegebenen Themenkomplexen.

Mit unerwartet hoher Präzision und teilweise auch "Witz" bearbeiteten die Teilnehmer die Themen.
 

--> Flyer ansehen
 

Ines ist der Auffassung, daß:

"Geld stinkt - und nur Probleme macht"

Diese Meinung findet zwar nicht ungeteilte Zustimmung, zeigt jedoch, daß der alles beherrschenden Rolle des Geldes durchaus auch hier kritisch begegnet wird.

Das anschließende Abschlußfeedback bemerkt verwundert, wie schnell die Zeit "wie im Fluge" vergangen sei und das die für die Teilnehmer ungewohnte Arbeitsmethode Freude gemacht und weitergeführt habe.
Man freue sich auf die nächste Sitzung und den Beginn der Bearbeitung der Einzelteilnehmer-Problemlagen.

Im Vorfeld der zweiten Sitzung bittet mich die Jugendstrafanstalt Berlin um Betreuungsübernahme für einen derzeit einsitzenden Jugendlichen, der nach seiner bedingten Bewährungsentlassung die Betreuung durch mich wünscht. Nach kurzer Erörterung seiner Situation und der angefallenen Schulden schlage ich seine Teilnahme an dem Trainingskurs vor. Sehr kooperativ und unbürokratisch wird dies von der Strafanstalt aufgenommen und so ermöglicht, daß M. noch am heutigen Abend an der Gruppe teilnehmen kann.
Er stellt sich vor und wird von den zahlreich erschienenen Teilnehmern mit skeptischer Bewunderung begrüßt.
Skeptisch, da nun auch der Aspekt Widerruf der Strafaussetzung und Vollzug in die Gruppe Eingang findet; Bewunderung für die Bereitschaft, die wertvollen Stunden des Freiganges für die Bearbeitung und Bewältigung seiner Schulden zu verwenden.

Am Flipchart beginnen wir die Finanzlage der ersten Teilnehmerin zu visualisieren.
Das derzeit verfügbare Einkommen wird aufgelistet, kritisch beleuchtet und nach Verbesserungsmöglichkeiten untersucht.
Verbindlichkeiten durch Schulden bei:
 

stehen dem gegenüber.

Ausführlich wird der Entstehungsweg der Schulden erörtert und anhand von Teilnehmerbeiträgen und Gruppenleiternachfragen bearbeitet. Unser besonderer Schwerpunkt liegt auf der Klärung der uns auch in den nächsten Sitzungen beschäftigenden Frage, welches Verhalten zur Schuldenentstehung im Einzelfall, sowie Anhäufung unterschiedlicher Forderungen bei unserer Klientel führt.
Hier arbeiten wir insbesondere den Aspekt des "unbedarften" Umganges mit Telefon und Handy heraus, die bis nahe an die Grenzen des "Unterstützungsbetruges" heranreichende Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen wie Sozial- und/oder Arbeitslosenhilfe, sowie die von Kreditinstituten freizügig eingeräumten Möglichkeiten des Dispokredites heraus.

Als "Sitzungsergebnis" für die Teilnehmerin erarbeiten wir die Notwendigkeit, von ihrem ehemaligen Freund geschuldete Verbindlichkeiten zu realisieren, an das Sozialamt mit einem Stundungsantrag bis zum Ausbildungsabschluß heranzutreten, sowie einen Antrag auf Umschuldung über die "von Weizäcker-Stiftung" für ehemals drogenabhängige Probanden zu stellen.
Dieser Antrag wird unmittelbar in Anschluß an die Gruppensitzung auf der von mir bereitgestellten PC-Anlage hergestellt, ausgedruckt, mit einer Briefmarke versehen und auf den Weg gebracht.

"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!" (Erich Kästner)

So wird auch die zweite Sitzung im Schlußfeedback von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern als sehr motivierend, spannend und erfahrungsreich erlebt und gespiegelt.

Ich stelle mein Erleben der reibungslosen und sehr kompetenten Zusammenarbeit mit Wilfried, dem Mitarbeiter der Schuldnerberatungsstelle heraus.
Im weiteren Verlauf der Gruppenarbeit wird sich immer wieder herauskristallisieren, wie wertvoll das gewählte Setting dieser Kooperation hinsichtlich rascher Umsetzung und konkretisierbarer Veränderungsvorschläge im Einzelfall ist.

"Störung geht vor Thema" - und so beginnen wir unsere dritte Gruppensitzung, die wieder rege besucht ist, mit der Darstellung und Bearbeitung eines Partnerkonfliktes, der sich bereits im Vorfeld der heutigen Gruppensitzung auf dem Vorhof der Beratungsstelle, auf dem Flur und nun auch im Gruppenraum entladen hat. "Darsteller" sind Patrick und Katja, die seit Jahren eine Beziehung haben. Die aufgelaufenen Mietschulden, die er schlichtweg negiert, seine ausweichenden Bemühungen um einen Arbeitsplatz, sowie reichlich weitere Schulden belasten die Partnerschaft; sie geht einer Lehrausbildung nach und bringt etwas Geld ein, wenn sie am Abend müde aus der Lehrfirma kommt, ist nicht einmal der Haushalt gemacht, das Geschirr abgewaschen oder eingekauft. Auch diese Arbeiten erledigt sie dann noch und sorgt für eine warme Mahlzeit.
Aber scheinbar ist das Maß voll; wir sind nun im Thema das wir aber nur kurz anarbeiten können und dann auf die nächste Sitzung vertragen, da sich Ronald heute angemeldet hat um seine erdrückenden Schulden bei der Justizkasse zu besprechen.

Der Justizkasse als Gläubigerin begegnet der Bewährungshelfer und sein Proband auf "Schritt und Tritt". Grundsätzlich gilt hier im Umgang, diese Gläubigerforderung, die kaum Nachsicht kennt, möglichst vorrangig zu erfüllen, da sofortige Vollstreckungsmaßnahmen und deren weitere Kostenfolgen drohen.
Anhand dieses Beispieles erläutern der Schuldenberater und ich die im Einzelfall bei Anhäufung von Schulden bei unterschiedlichen Gläubigern durchaus notwendige Klassifizierung in "harte" und "weiche" Forderungen, d.h. Forderungen, wie Mietschulden, Rückständen bei Strom, Gas und Heizung, die existenzbedrohende Folgen haben, Schulden bei "harten" Gläubigern wie Justizkassen wegen Geldstrafen, bei deren Nichtzahlung Ersatzarbeiten oder gar Haft drohen, aber auch Gerichts- und Verfahrenskosten, die sofortige Vollstreckung nach sich ziehen. Dem können "weichere" Forderungen nebenstehen, die nicht unmittelbar die Existenz bedrohen, wie Rückstände bei Videotheken, Fitnessstudios oder Forderungen aus nicht bezahlten Handyrechnungen.
Diese "Klassifizierungsproblematik", die jeweils im Einzelfall und unter Berücksichtigung der jeweiligen Einkommenssituation neu vorgenommen werden muß, begleitet uns die gesamte Gruppenarbeit hindurch.

Kernthese:

Wir versuchen mit unserer Gruppen-Beratungsarbeit die Probanden und Teilnehmer zu befähigen, diese Einschätzung zunehmend eigenverantwortlich vorzunehmen und entsprechende Bewältigungsüberlegungen selbst vorzunehmen. Hierin besteht eines der Hauptziele der Gruppenarbeit. Es ist uns wichtig, Hilfestellung aus der Rolle des abhängigen und ausgelieferten Schuldners hin zur Möglichkeit der aktiven und eigenverantwortlichen Bewältigung mit der Einsicht in die eigene Verhaltensstruktur und künftige Vermeidungsstrategien aufzuzeigen und einzuüben. Im heutigen "Fall" von Ronald liegt die Situation allerdings etwas anders: In seinem Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz waren gutachterliche Untersuchungskosten für jede einzelne bei ihm aufgefundene Substanz entstanden. Nach auch vom urteilenden Gericht vertretener Auffassung waren diese Aufwendungen, die für den Probanden eine Kostenfolge von 6.800,00 DM haben sollen, allerdings unverhältnismäßig hoch, zumal der Verurteilung auch sein Geständnis zugrunde lag und das Gutachten nicht in das Verfahren eingeführt wurde.
Mit aktiver Unterstützung des Jugendrichters, mit dem nicht nur in diesen Fragen eine außerordentlich gute Zusammenarbeit besteht, wurde eine Verwaltungs-Verfahrensvorschrift erkundet, die es dem Präsidenten des Amtsgerichts ermöglicht, derartige Forderungen niederzuschlagen.
Der entsprechende Antrag wurde aus der Gruppe heraus noch am gleichen Abend mit dem Probanden formuliert und am PC bearbeitet, ausgedruckt und mit Briefmarke versehen von diesem versandt.

>> "Es gibt nichts Gutes, außer.......

Sitzung vier bis sechs führen in der Einzelfallarbeit am Flipchart weiter. Wieder stellen zwei Teilnehmer der nach wie vor sehr gut besuchten Gruppe mutig und offensiv ihre Situation vor der Gruppe dar. Patrick hat keinerlei Einkünfte; er traut sich aufgrund schlechter Vorerfahrungen nicht einmal zum Sozialamt.
Die Gruppe zeigt sich auch hier aktiv und solidarisch: Zwei Teilnehmer begleiten ihn am übernächsten Tag in die Sprechstunde des Sozialamtes und berichten bei der folgenden Sitzung stolz darüber, daß es gelungen sei, Hilfe zum Lebensunterhalt zu beantragen und eine Lösungsmöglichkeit hinsichtlich der anstehenden Mietrückstände zu besprechen.
Aber auch der Aspekt der Arbeits- oder Ausbildungsaufnahme wird betrachtet, ebenso wie die Möglichkeiten von Stundungen und Ratenzahlungsvereinbarungen.
Aber immer noch besteht das Problem, daß er versucht, seine Situation mit Hilfe von Haschisch erträglicher zu gestalten....aber auch das kostet Geld und schafft finanzielle Abhängigkeiten!
Thomas studiert und besucht unsere Gruppe als "Gast"; er wurde von einem Probanden als "Bezugsperson" eingeladen und mitgebracht.
Auch er hat Schulden aus einem alten Strafverfahren in Zusammenhang mit einer Sachbeschädigung bei den Berliner Verkehrsbetrieben.
Obgleich er kein "Proband" ist läßt sich an seinem Beispiel ein weiterer Schuldenbereich, der "Straftatenfolgenschulden" isolieren, darstellen und exemplarisch bearbeiten.
Konkrete Hilfe durch einen sofort verfaßten Brief mit einem konkreten Teilerledigungsangebot.
In einer weiteren Phase der Gruppenarbeit wird mit Hilfe eines Video-Rollenspiels eine konkrete Verhandlungssituation dargestellt, verbessert und eingeübt werden.
Spätere Kritik unserer Gruppenteilnehmer: "Ihr hättet das Angebot des Video-Rollenspiels" früher unterbreiten sollen - Merke für die nächsten Gruppen

>> "Schuldenfrei 2001 beginnt am 07. März 2001 <<
(--> Einladung zu Schuldenfrei 2001)

Ingo ist in einen Konkurs seiner ehemaligen Beschäftigungsfirma, einer kleinen Bäckerei verwickelt. Ein vermeintlicher "Glücksfall" (Zitat: "...ich muß doch auch einmal Glück in meinem Leben haben...") wurde ihm zum Verhängnis. Sein ehemaliger Chef hatte ihm die Teilhaberschaft an dem, wie ihm mit Hilfe eines "undurchsichtigen" Notars verheimlicht wurde, hochverschuldeten Betrieb angeboten. Im Zuge einer Ehetrennung saniert sich der Chef und dessen Frau; für Ingo bleibt die Insolvenz mit 1,4 Mio. DM, die Vernichtung seiner momentanen beruflichen Existenz, Gerichtsverfahren, Ausweglosigkeit und in Folge epilepsieartige Krampfanfälle.
Zusammen versuchen wir zu klassifizieren und zu kategorisieren. Erneut ist die Professionalität des uns begleitenden Schuldenberaters besonders gefragt und hilfreich, einen Weg durch das Dickicht und die Dunkelheit des Verfahrens zu finden.
Zum Zeitpunkt dieses Berichtes (Stand: Nov 2000) ist Ingo gesundheitlich weitgehend stabilisiert und betreibt eine kleine eigene, wirtschaftlich gesunde Bäckerei.
Seiner Haftungspflicht für die Insolvenzschulden im Rahmen seiner Gesellschaftereinlage kommt er im Rahmen eines Raten-Tilgungsplanes nach.

Erfolg der Gruppenarbeit??





Ein weiterer externer "Gast" und Klientin der Schuldnerberatungsstelle des deutschen Familienverbandes ist "Evi"; die "Mutti der Gruppe". Sie ist bereits etwa 40 Jahre alt, hat eigene Kinder im Alter von 17 und 19 Jahren und leidet auch psychisch nach einer Ehetrennung massiv unter ihrer Schuldenlast.
Gemeinsam entwirren wir am Flipchart ihre Situation, beruhigen ihre Weinkrämpfe und besänftigen ihre Schuldgefühle. Wieder erweist sich die Gruppe als einfühlsam solidarisch, aber nicht nur "mitleidig" sondern aktiv tröstend und realitätsweisend: "Schau uns an, Du bist mit Deinem Problem nicht allein".
Ihre Selbstbestrafungstendenzen, z.B. durch massives Einsparen bei den Ausgaben für Lebensmittel werden problematisiert: Ein Teilnehmer rät ihr:

"Du mußt Dich pflegen, wie Deine Kinder!"

Schließlich sammeln wir Themen und Fragen für die folgenden Sitzungen, bei denen uns ein Rechtsanwalt und der Gerichtsvollzieher besuchen und beraten werden.

Anhand der erarbeiteten Fragestellungen folgen die nächsten beiden Sitzungen 7 und 8 mit unseren Gästen.
Rechtsanwalt M. Hardt erläutert zivilrechtliche Verfahrensfragen, Kostenprobleme und einzelfallbezogene Verhaltensalternativen und rät:

"Niemals den Kopf in den Sand stecken",

immer aktiv für die eigene Position kämpfen und konkrete Regulierungsangebote zu unterbreiten, während bei der nächsten Sitzung der Gerichtsvollzieher Herr Neumann anschaulich und lebendig aus der reichhaltigen Erfahrung seiner Arbeit berichtet, den Probanden seine Rolle ebenso darstellt wie ihre Rechte und Pflichten im Vollstreckungsverfahren.
Sehr zur Verwunderung unserer Gruppenmitglieder macht er sein Erleben deutlich, daß er sich

"...manchmal den Schuldnern näher fühle, als den Gläubigern..."

Deutlich wird die menschliche Seite des Vollstreckungsbeamten, der aus dieser Haltung heraus auch als Partner bei der Schuldenbewältigung erscheint, der in der Lage ist, Schonfristen und Ratenzahlung zu ermöglichen.
Ein vollständig neues Erleben für die Gruppenteilnehmer, die sich von ihrem bisherigen "Feindbild" verabschieden und die Rollen bezüglich der Bewältigung von Schuldenproblemen neu ordnen müssen.

Die 9. Sitzung wird erneut von Evi gestaltet. Als emotionale Stütze läßt sie sich von ihrem Sohn begleiten, der hilfreich ihre Situation aus seiner Sicht beleuchtet.
Erneut ist es wichtig, die Schulden in "harte" und "weiche" Verbindlichkeiten zu unterscheiden.
Zu ihrer eigenen Verblüffung überwiegen leichter zu handhabende Problemlagen, so kann beispielsweise eine durch einen Vertreter "aufgeschwatzte" Brockhaus-Sammlung vollständig zurückgegeben werden und hat somit schuldenbefreiende Wirkung. Auch Verbindlichkeiten bei einer ehemaligen Wohnungsgesellschaft, einer Internatsschule und Verbindlichkeiten aus Sozialhilfezahlungen lassen sich vergleichsweise und per Ratenzahlungsvereinbarung unter Abrechnung von Nebenkosten wie Zinsen und Mahngebühren regeln.
Was verbleibt sind Rückstände aus Dispositionskrediten bei zwei Instituten, sowie sofort fällige Zahlungen an die Justizkasse....
....die Bewältigung ihrer psychischen Befindlichkeit und Labilität behält sie einer 6-wöchigen stationären klinischen Therapie vor...
Die Gruppe wünscht ihr viel Erfolg und freut sich auf ein gesundes Wiedersehen zur Nachbereitungsgruppensitzung am:

Nachbereitungsgruppensitzung
am:

Mittwoch, dem 13. Dezember 2000 um 18:00 Uhr

an bekanntem Ort:
Beratungszentrum am Nordgraben
Am Nordgraben 1
13509 Berlin
Tel: 030-4192-6389
Gruppenraum im Erdgeschoß


 

Unsere gemeinsame Arbeit nähert sich ihrem Ende!

Zur 10. Sitzung besucht uns Herr Bruckmann, Zivilrichter am Amtsgericht Tempelhof/Kreuzberg ausgewiesener Experte für Insolvenzrecht, sowie Autor eines diesbezüglichen Standardwerkes (E.O. Bruckmann: Verbraucherinsolvenz in der Praxis; Dt. Anwaltsverein Bonn ISBN: 3824003449).
In seinem sehr engagierten Beitrag schildert unser Gast Möglichkeiten und Probleme des Privat-Insolvenzverfahrens im bisherigen Recht. Kritisch beleuchtet er die bisherigen Erfahrungen auch in Hinblick darauf, daß für den Betroffenen (Schuldner) zunächst weitere hohe Kosten zur Verfahrensabwicklung entstehen und die lange "Wohlverhaltensphase" oft schwer durchzuhalten ist.
Bezüglich seiner täglichen Praxis als Zivilrichter vertritt er die überzeugte Auffassung, daß der weitaus überwiegende Teil der Verfahren vermeidbar, bzw. vergleichsweise beilgegbar seinen; er selbst würde diese Art von Streitigkeiten nicht führen und rät den Gruppenteilnehmern zu Teileinigungen, Abschlags- und Ratenangeboten und Vergleichen; allerdings mit dem Hinweis darauf, daß, "...wer Recht hat, auch sein Recht bekommen solle..."

Gemeinsam reflektieren wir aber auch die Situation eines Gläubigers, der viele Außenstände hat und in Schwierigkeiten geraten kann, wenn er von vielen Schuldnern, die nicht zahlen können, Geld zu bekommen hat.
Diese Überlegungen lösen bei den Gruppenteilnehmern sichtbares Nachdenken aus!
Aus der Sicht des Verfassers bedeutet es insbesondere für Probanden der Bewährungshilfe eine wichtige Erfahrung, die ihnen diese Gruppe bieten kann, einen Richter nicht nur in seiner amtlichen Funktion an seinem Gericht mit schwarzer Robe, sondern auch in einem freien Gespräch als Diskussionspartner erleben zu können.

Die 11. Sitzung war eigentlich, zumindest in Teilen, noch einmal für Evi vorgesehen um ihre Situation abschließend zu reflektieren und letzte Verhaltensstrategien bis zum Nachbereitungstreffen festzulegen; leider fehlt sie heute.
So haben wir Zeit, ausführlich Martin’s finanzielle und soziale Probleme zu erörtern, die sich aber als unproblematischer erweisen, als zunächst vermutet.
Insbesondere ist bei ihm erwähnenswert, daß durch seine feste Arbeit im Garten- und Landschaftsbau die Einnahmeseite gesichert ist. Hier ist eine größere Versicherungssumme zu regulieren, die sich aber auf dem Einnahme-Hintergrund als durchaus geeignet für eine Umschuldung über die Gustav-Radbruch-Stiftung anbietet.
Ich informiere am Beispiel ausführlich über die Möglichkeiten der vergleichsweisen Schuldenreduzierung durch den Gläubiger und die Möglichkeit, einen durch die Stiftung verbürgten Kredit, der von der Landesbank Berlin zur Schuldentilgung an den/die Gläubiger ausgezahlt wird zu beantragen.
Einziger Gläubiger der Restschuld bleibt dann die Landesbank Berlin.
Voraussetzungen: längeres festes Arbeitsverhältnis, Zuständigkeit eines Bewährungshelfers/ einer Straffälligen-Beratungsstelle und dessen/deren günstiger Sozial-Prognosebericht, erfolgreiche forderungsreduzierende Verhandlungen mit Reduzierung um mindestens 50% der Hauptforderung, sowie zügige Erledigung der Formalitäten durch den Probanden.
Für unsere letzte Sitzung schlage ich ein Video-Rollenspiel für Tomasz vor, bei dem er gemeinsam mit der Gruppe Verhaltensstrategien für seine Verhandlungen mit der BVG bezüglich der Schadensreduzierung einüben kann.
Dieser Vorschlag ist ungewohnt, man hat noch niemals mit Video Kontakt gehabt und so entspinnt sich eine längere Diskussion über Ängste und Vorteile eines ungefilterten Video-feedbacks.
Schließlich ringt sich Tomasz doch durch - "bring die Kamera ruhig mit; wir machen das" verabschiedet er sich heute.

Die 12. und letzte Sitzung steht im Zeichen des vereinbarten Rollenspiels:
Alle sind sehr gespannt und aufgeregt, einschließlich des Ko-Leiters, der die Rolle des Mitarbeiters des Gläubigers übernehmen will.
Wie nicht anders zu erwarten, ist die Kamera schnell vergessen; ich habe sie in einer Ecke plaziert und lasse sie unbemerkt "mitlaufen" indem ich selbst wieder meinen Platz in der Gruppenrunde einnehme.
So entspinnt sich ein Dialog, der Tomasz nicht zum gewünschten Erfolg verhilft; der "Gläubiger" bleibt unnachgiebig.
Das folgende visuelle Feedback, sowie die Rückmeldungen der Gruppe verhilft Tomasz zu der Erkenntnis, daß er zu unpräzise in der Darstellung der Ausgangsposition, sowie seiner Rechtsauffassung war und sich statt dessen zu sehr auf das Erwecken von Mitleid konzentriert hatte, indem er auf seinen "Studentenstatus" und seine geringen Einkünfte verwies, was die "Gegenseite" nicht dazu veranlassen konnte, ihre Forderung einer kritischen Betrachtung zu unterziehen, sondern von dieser als gegeben ausging. So war allenfalls eine befristete Stundung als Verhandlungsergebnis erzielbar, was allerdings nicht im Interesse des "Schuldners" lag, der eine Reduzierung der Forderung um 50% erreichen wollte.
So wechselten wir zunächst die Rollen aus; Tomasz wurde durch Ingo ersetzt, der es sehr präzise verstand, die Verhandlung auf den Kern, nämlich eine teilweise In-Fragestellung der Berechtigung des Anspruches, zu bringen.
Eine nochmalige Rückkehr von T. in seine Rolle brachte schließlich auch den "Gläubiger" im Rollenspiel zum Einlenken und führte zum gewünschten Ergebnis.
Die Auswertung der heutigen Sitzung, sowie die Zusammenfassung der gemeinsamen Gruppenarbeit ergab lediglich einen einzigen, allerdings mit Vehemenz der Teilnehmer vorgetragenen Kritikpunkt an den Gruppenleitern:
"Ihr habt uns das Medium Video zu lange vorenthalten; wir hätten das viel
eher machen sollen, dann wären manche Ansatzpunkte früher deutlich
geworden."
Diese Kritik nehmen wir gern an und werden beim nächsten Gruppendurchgang eher und mutiger das Medium Video als Feedbackmöglichkeit im Rollenspiel einführen.
Die rückschauende Auswertung durch die Gruppenmitglieder erbringt durchweg positive Stimmen, die folgende Aspekte in den Vordergrund stellen:
 


Die gemeinsame Arbeit schließen wir am letzten Mittwoch vor den Ferien mit einem
Grillabend ab, zu dem jeder Gruppenteilnehmer eine Kleinigkeit mitbringt.
Der Großteil der Lebensmittel, Wurst, Obst und Getränke wird vom Verfasser aus dem Gruppenhaushalt des Sachgebiets Bewährungshilfe bestritten.
Das lockere und leckere Beisammensein wird durchaus auch von ernsthafteren Tönen mitbestimmt. Neben einer nochmaligen Zusammenfassung des Erlebens dieser Form der Schuldnerberatung und der positiven Erfahrungen aus der Gruppe wird auch ein unverkennbarer "Abschiedsschmerz" dieser sehr konstruktiven und stabilen Gruppe deutlich.

[Links zu den Fotoseiten]

Auch W. Rosellen macht seine Sicht der Gruppe dahingehend deutlich, daß er eine vollständig andere und neue Form der Schuldnerberatung erlebt hat, die er gern weiter verfolgen möchte.
Wir vereinbaren, im nächsten Jahr eine neue gemeinsame Gruppe durchzuführen, mit der verstärkten Aufforderung, auch Klienten der Schuldnerberatungsstelle zur Teilnahme zu motivieren.
Die 4 Teilnehmer mit der häufigsten Gruppenteilnahme, bzw. mit überhaupt keinem Fehltag werden von mir mit einem Geschenk bedacht: jeweils 1 Brettspiel über Themen der Bewährungshilfe, bzw. ein Brettspiel der Berliner Zeitung "Berlin - Berlin".
Diese Geste löst erneut ungewohntes Staunen aus, das im Bemerken eines Teilnehmers gipfelt:

"Das ist das erste Spiel das ich in meinem Leben geschenkt bekomme."





Zur Nachbereitung und zusammenfassenden Rückschau auf die dann erzielten
Ergebnisse der Schuldenbefreiung verabreden wir einen Termin für:
 
 

Mittwoch, den 13.12.00 um 18:00




Nachbereitungstreffen "Schuldenfrei 2000" am 13.12.00:

Nach vorheriger schriftlicher Einladung treffen wir uns Mitte Dezember, also etwa 5 Monate nach der letzten Sitzung zu einem Nachbereitungsabend, dessen Ziel darin besteht, nachzuschauen, welchen Stand die Schuldenregulierung der einzelnen Gruppenmitglieder erreicht hat, wo Probleme aufgetaucht sind und wie erfolgreich unsere Arbeit war.

Insbesondere wir Gruppenleiter sind sehr gespannt, wer kommen wird und wie der Sachstand ist.
Zur vereinbarten Zeit erscheinen nach und nach insgesamt fünf der ehemaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer und berichten in gewohnt entspannter Atmosphäre über ihre momentane Situation:

Katja (Freundin von Patrick) ist seit Anfang Oktober, nach kurzer Aushilfstätigkeit, wieder in einer festen Beschäftigung in ihrem Lehrberuf als Bürokauffrau mit 20 Wochenstunden und einem Verdienst von 16,00 DM/stdl. brutto. Sie hat sämtliche ihrer Zahlungsverpflichtungen abgetragen.
Sie berichtet weiter mit sichtlicher Zufriedenheit, daß sie sich aus der sehr belastenden Beziehung mit Patrick gelöst und nun einen "neuen Freund" habe.

Ähnlich erfolgreich war Thomasz:
Entsprechend der in unserem Video-Rollenspiel erlernten Strategie hat er die Verhandlungen mit der BVG bezüglich des Schadensersatzes für die begangene Sachbeschädigung geführt. Es ist ihm gelungen, die Forderung auf 60% der Hauptforderung "wegzuverhandeln", Nebenforderungen, Kosten Zinsen, Bearbeitungsgebühren wurden nicht mehr geltend gemacht.
Aus einer Bafög-Nachzahlung hat er einmalig 2.400,00 DM gezahlt, ist damit schuldenfrei und berichtet weiter stolz, daß er die "Liebe meines Lebens" kennengelernt habe.

Auch Martin ist es gelungen, sich bei der Verhandlung bezüglich der Nebenforderungen und Kosten durchzusetzen. Auch er zahlt nur die Hauptforderung, die er in regelmäßigen, erträglichen Raten tilgt.

Evi hat Arbeit als Küchenhilfe in einer Kindertagesstätte gefunden, sie nimmt zweimal wöchentlich an einer Selbsthilfegruppe für Menschen mit Eß- und Verhaltensstörungen teil und erhofft sich davon eine weitere Stabilisierung ihrer Persönlichkeit.
Die ersehnte stationäre Therapie in Form einer Kur konnte sie noch nicht antreten, strebt dies aber weiter an. Bezüglich ihrer Zahlungsverpflichtungen hat sie noch nicht allzu viel auf den Weg gebracht; der "Brockhaus" steht noch immer verpackt, aber nicht abgesandt.
Ihre Verpflichtungen bei ihrem Zahnarzt trägt sie ratenweise ab und hat eine Ratenzahlungsvereinbarung über ihre Mietrückstände getroffen.

Ronald ist seit dem 01.11.00 in fester Beschäftigung und hat einen Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe gestellt; er bemüht sich um eine Lehrausbildung als Garten- und Landschaftsbauer; das Bundesamt für Zivildienst möchte ihn gern "heranziehen", was ihm allerdings widerstrebt.
Aus Nachgesprächen während der weiter laufenden Bewährungsaufsicht ist dem Verfasser bekannt, daß Ronald seine auf die Hauptforderung durch Verhandlungen reduzierten Restzahlungsverpflichtung aus einer BAB-Nachzahlung getilgt hat; die erheblichen Verpflichtungen gegenüber der Justizkasse Berlin für Gutachter- und Verfahrenskosten sind mit unserer und der Hilfe einer engagierten Rechtsanwältin endgültig nach den Bestimmungen der Berliner Landes-Haushaltsordnung niedergeschlagen worden, so daß auch er nun ein schuldenfreies Leben führen kann.

Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Nachbereitungstreffens äußern sich sehr zufrieden mit ihrer Lebenssituation, für deren Verbesserung sie der Gruppenarbeit und den dort gemachten Erfahrungen einen großen teil des Lernerfolges zuschreiben.
Thomasz ermuntert uns als Gruppenleiter noch einmal ausdrücklich, beim nächsten Trainingskurs "Schuldenfrei" früher mit der Video-Rollenspiel-Arbeit zu beginnen.
Lachend bieten uns die ehemaligen Gruppenteilnehmer ihre "Expertenmitarbeit" bei der nächsten Trainingsgruppe an.

Wir versprechen, erforderlichenfalls darauf zurückzukommen.
 
 

Auswertung und Schlussbetrachtung:

In der Zeit vom 03.05. - 26.07.00 führte der Verfasser als Jugend-Bewährungshelfer in BERLIN in Zusammenarbeit mit der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle des "Deutschen Familienverbandes" ; Landesverband Berlin und mit Unterstützung des "Club Fair Play" bei dem Bezirksamt Berlin-Reinickendorf, Jugendgerichtshilfe, einen weiteren Durchgang des Sozialen Trainingskurses "Schuldenfrei" für Probanden der Bewährungshilfe mit Überschuldungsproblemen durch.

Neu am diesjährigen Setting war die Integration von Klienten der Schuldnerberatungsstelle.
Bezüglich der angewendeten Methode folgten wir bisherigen Erfahrungsmodellen, zu denen, neben der themenzentrierten Problembearbeitung die Einladung externer Gäste zählte und den Teilnehmern die Möglichkeit eröffnet wurde, je eine Bezugsperson ihrer Wahl zu den Gruppenabenden mitzubringen.

Es wurden im Einzelgespräch des Bewährungshelfers insgesamt 13 Probanden angesprochen, die sich zur Teilnahme erklärten.
Davon erschienen zur ersten Sitzung:

- 6 Bewährungshilfe-Probanden, sowie
- 1e Klientin der Schuldnerberatungsstelle

zu den weiteren Sitzungen kamen mit fast durchgängiger Regelmäßigkeit:

- 1 Freund eines Probanden; Student mit eigener Schuldenproblematik
- 1e Freundin eines Probanden, die nach Bruch der Beziehung mit diesem und
dessen Wegbleiben aus der Gruppe allein weiter bis zum Ende teilnahm.

Insgesamt wurden drei Gäste wie im Konzept und Verlauf beschrieben, eingeladen und nahmen als "fachkundige Gäste" an jeweils einer Gruppensitzung teil.

Entgegen den bisherigen langjährigen Erfahrungen des Verfassers mit unterschiedlichen Formen von Gruppenarbeit mit Probanden der Bewährungshilfe zeichnete sich diese Gruppe durch hohe Teilnahmekonstanz bis zur letzten Sitzung aus.
 
 

Dazu folgendes Schaubild:

(Quelle: Aufzeichnungen und deren grafische Umsetzung des Verfassers November 2000)

Ein Teilnehmer versäumte nicht eine einzige Gruppensitzung; ein bisher vollständiges Novum in dieser Arbeit; 3 Teilnehmer fehlten jeweils lediglich in der ersten Sitzung, da sie als Begleitpersonen noch nicht eingeführt waren; ein Teilnehmer wurde erst zur zweiten Sitzung aus der Justizvollzugsanstalt zur Gruppenteilnahme beurlaubt.

Es gab insgesamt lediglich drei "Abbrecher", von denen eine Probandin, die nachbetreut wurde, nach Bearbeitung ihrer persönlichen Problemlage nicht mehr zur Gruppe erschien, ein ausländischer Proband sich mit seinen kulturellen Unterschiedlichkeiten nicht der Gruppe zu öffnen vermochte, aber sporadisch erschien und lediglich ein Proband diese Form der Arbeit als "zu albern" klassifizierte.

Dieses insgesamt als für diese Klientel als sehr stabil zu beschreibende Teilnahmeverhalten wird vom Verfasser auf folgende Variablen zurückgeführt:
 

  1. Gründliche Vorbereitung des Gruppenangebots in Einzelgesprächen durch Verbalsierung des extremen Existenzdruckes und Bedrohungsgefühls, das von Überschuldung ausgeht
  2. Günstige Zusammensetzung und Mischung der Gruppe mit Probanden, deren Bezugspersonen und Klientin der Schuldnerberatungsstelle
  3. Hoher Motivationsgrad der Gruppenleiter und deren sehr konstruktive und emotional positive Zusammenarbeit
  4. Fortsetzung des Settings der Einladung mit Bedacht ausgewählter externer Gäste
    und deren "menschliches" Erscheinungsbild bei den Teilnehmern
  5. Nicht nur oberflächliche Auflistung der Einnahme- und Schuldensituation, sondern psychodynamische Bearbeitung individueller Verhaltensweisen und systemischer Zusammenhänge in Bezug auf die Rolle als Schuldner
  6. Visualisierung dieser Zusammenhänge an Flipcharts
  7. Sofortige, greifbare Hilfeleistung durch Verfassen von Schriftsätzen an bereitstehendem PC-System mit Drucker (dieser Aspekt wurde von den Teilnehmern besonders herausgestellt)
  8. Realisierung eines positiven Gruppenklimas mit Akzeptanz der Einzelpersönlichkeiten trotz ihrer Fehlhaltungen
  9. Aufzeigen gesellschaftlicher, struktureller und systemischer Zusammenhänge bei der Annahme der Rolle als Schuldner


Diese Aufzählung ist als subjektiv aus der Wahrnehmung und Erfahrung des Verfassers anzusehen und genügt sicherlich nicht wissenschaftlichen Objektivitätsansprüchen, was allerdings auch mit dem vorliegenden Projektbericht nicht beabsichtigt war.

Allerdings zeigt insbesondere das Ergebnis des Nachbereitungstreffens ca. 5 Monate nach Abschluß der Intensivphase des Trainingskurses, daß es bei keinem einzigen Teilnehmer zu einer Verschlechterung der persönlichen und finanziellen Situation gekommen ist.

Drei der abschließend Anwesenden waren zu diesem Zeitpunkt vollständig schuldenfrei und hatten auch ihre übrige soziale Lebenssituation nachhaltig stabilisiert.

Zwei weitere Teilnehmer verbesserten ihr Lebensumfeld und tilgten ihre Verpflichtungen in Raten, lediglich die Situation einer älteren Teilnehmerin hatte sich zumindest hinsichtlich ihrer Zahlungsverpflichtung nicht nachhaltig verbessert, allerdings stand auch sie nun in fester Arbeit.

Trotz der geringen und nicht signifikanten Stichprobe ist doch zumindest hinsichtlich dieser Gruppe von einem deutlichen Erfolg zu sprechen, den die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu großen teilen auf die in der Gruppe gemachten Erfahrungen und Lerninhalte zurückführen.

Auch diese Erfahrung bekräftigt den Verfasser in der bisherigen, stabilen Auffassung, daß erlebnis- und erfahrungsorientierte Gruppenarbeit ihren unverrückbaren Platz in der Arbeit mit Probanden der Bewährungshilfe haben muß, da dieses Setting einzigartige Vermittlungsmöglichkeiten für Probanden und deren Bezugspersonen bietet.

Diese Erfahrung motiviert beide Gruppenleiter gleichermaßen, trotz struktureller Problemlage im Bereich öffentlicher Jugend-Sozialarbeit allgemein und speziell im Sachgebiet Bewährungshilfe der Jugendverwaltung, diese effektive, motivierende und erfolgbringende Arbeitsform auch weiterhin durchzuführen und zu disputieren.
 
 
Nachweis der Fotoquellen:
Aufnahmen des Verfassers bei der Gruppenarbeit nach ausdrücklicher Genehmigung der Teilnehmer zur Veröffentlichung


Summary:

To be in debt is a special problem of a probation-officer’s clients. This is an especially depressing situation for youngsters, the clients of youth-probation-officers.

They often do not pay their bills for handy-phones or their flat-rents. In addition, they have to pay the cost of court-trials, for cars they damaged and more.
We invented a special kind of "social-training-group-counceling" specifically for those youngsters, who are in debt.
This training-program is developed and carried out by Mr. Hans-Joachim WENDT, a probation-officer in Berlin, Germany in coopertion with the youth department of the county-government in Berlin-Reinickendorf, Mr. HANACK and the deliberation-department "free from debt " of the "Deutscher Familienverband Berlin" Mr. W. ROSELLEN.

Each year we do special training-groups of 12 - 14 meetings for 9 - 11 clients until the age of 24.
The youngsters and perhaps their partners and parents talk about their debt.
We teach and train them with methods of debt prevention and how to recover from the debt they have already aquired.
We teach them using confrontation techniques which show them the effects of their behavior, we play video-castings to show them their own misbehavings and we teach them better judgment of action.

We invite a judge, a lawyer and even a bailiff to talk to them and show them more of reality of this special subject.
We offer these training sessions every year, so the clients get accustomed to this form of social help and learn to use it for themselves.
We have great success and encouragement.
 

For further information look at our homepage:
www.bewaehrungshilfe.com

or email to:

You also can call:
    ++49 30 795 16 55 (Mr. Wendt)

or write a letter to:
Hans-Joachim Wendt
Oehlertplatz 12
12169 Berlin
Germany

Thank you for your interest in this special subject!
 
 
 

von:
Hans-J. Wendt
Bewährungshelfer bei der
Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport

Berlin im November 2000 und Mai 2001


Weitere Sites zum Thema:
Forum Schuldnerberatung http://www.forum-schuldnerberatung.de
Foto's der Gruppe / Photos I Hier klicken / Click here !!
Schnappschüsse vom Abschlussgrillen / Photos II Hier klicken / Click here !!

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