Gruppenarbeit in der Bewährungshilfe Göttingen

Die Bewährungshelferin Luise Reinhardt und der Bewährungshelfer Reinhard Koch bieten seit 3 ½ Jahren zusätzlich zur klassischen Einzelfallhilfe für von ihnen betreute Probanden Gruppenarbeit in der Bewährungshilfe Göttingen an.

Die Gruppensitzungen finden in 14-tägigem Abstand statt und dauern jeweils 90 Minuten. Die Teilnehmerzahl schwankt zwischen 4 und 12 Probanden, die zwischen 17 und 30 Jahre alt sind. 2 Teilnehmer sind fast seit Beginn der Gruppenarbeit dabei. Die durchschnittliche Teilnahmedauer liegt bei einem Jahr. Es steht den Probanden frei, Partnerinnen oder Freunde mitzubringen. Diese Möglichkeit wurde gelegentlich genutzt.

Die Gruppenarbeit ist eine Mischung aus problemorientierter Gruppenarbeit, Info – Veranstaltungen mit bestimmten Referenten zu bestimmten Themen und gelegentlichen Spaßprogrammen wie Kegeln, Theaterbesuche oder sportliche Aktivitäten.

Die Probanden sollen durch die Gruppenarbeit folgendes erreichen;

  1. Erlernen bzw. Verbessern der Gemeinschaftsfähigkeit
  2. Übernahme gegenseitiger Verantwortung
  3. Gemeinschaftliches Lösen von Problemen aus der Gruppe heraus
  4. Kennenlernen bisher nicht genutzter Möglichkeiten der Freizeitgestaltung
  5. Verbesserung der eigenen Verhaltens- und Handlungsmöglichkeiten (Reden statt Zuschlagen).

Als problematisch erwies sich der Start der Gruppenarbeit. Es war schwierig, Probanden, die bislang nur die Einzelfallhilfe gewöhnt waren, zur Teilnahme an der Gruppenarbeit zu motivieren. Hier mußten wir anfangs eine Durststrecke überwinden. Es hat sich dann aber herausgestellt, daß neue Probanden, die gleich von Anfang an zur Teilnahme zur Gruppenarbeit aufgefordert werden, dieses problemlos akzeptieren und diese Arbeitsform als selbstverständlich ansehen. Hilfreich ist auch unsere gute Zusammenarbeit mit der Jugendanstalt Leineberg. Im Rahmen der Entlassungsvorbereitung bekommen wir regelmäßig junge Gefangene aus der Jugendanstalt, die im Rahmen der Entlassungsvorbereitung in die Gruppenarbeit integriert werden und dann auch nach der Entlassung dabei bleiben.

Obwohl die Probanden die Gruppenarbeit als durchaus sinnvoll und interessant erleben, ist es für uns eine schwierige Aufgabe, eine regelmäßige Teilnahme zu erreichen. Dieses liegt aber nicht an der bestehenden Zwangsbeziehung im Rahmen der Betreuung der Bewährungshilfe, sondern an den grundlegenden Defiziten der Probanden, die im Rahmen der Gruppenarbeit viel deutlicher zutage treten.

Wir sind für uns mittlerweile zu dem Ergebnis gekommen, daß die Teilnahme an der Gruppenarbeit, die von den Probanden wesentlich mehr abverlangt als ein gelegentliches Auftauchen in der Sprechstunde, honoriert werden muß. Wir schließen deshalb mit den Teilnehmern schriftliche Verträge über die Teilnahme an der Gruppenarbeit, die auch das "Bonbon" beinhalten, daß bei regelmäßiger und erfolgreicher Teilnahme" das letzte halbe Jahr der Bewährung auf eine erforderliche Mindestkontakthaltung reduziert wird, sofern keine Strafverfahren und unerledigten Auflagen mehr im Raum stehen. Wir wollen hinsichtlich der Belohnung aber noch einen Schritt weitergehen und hoffen die örtlich zuständigen Straf- und Jugendrichter dazu bewegen zu können, die erfolgreiche Teilnahme an der Gruppenarbeit mit einer Verkürzung der Unterstellungszeit zu belohnen. Es gibt in anderen Bewährungshilfebüros bereits entsprechende Vorstöße.

Immer wieder taucht aus der Kollegenschaft die kritische Frage auf, ob sich der Aufwand, Gruppenarbeit zu betreiben, wirklich lohnt. Wir müssen dazu ganz klar sagen, daß man Gruppenarbeit nicht betreiben darf, wenn man ausschließlich die Rückfallquote als Meßlatte anlegt. Gruppenerfahrene Probanden werden nicht seltener, aber auch nicht häufiger rückfällig als andere Probanden. Was uns zur Gruppenarbeit bewegt hat, ist ausschließlich der Wunsch gewesen, aus der festgefahrenen Routine der Einzelfallhilfe herauszukommen und etwas neues auszuprobieren, also auch eine neue Herausforderung anzunehmen. Gruppenarbeit ist Streß, da sie mit Mehrarbeit verbunden ist, die zusätzlich zur Alltagsarbeit zu erledigen ist. Sie macht aber sehr viel Spaß, da sich immer wieder völlig neue Situationen ergeben, auf die man sich einstellen muß, und da man die Probanden in der Gruppenarbeit viel besser in ihrer Lebenswirklichkeit wahrnehmen kann als im Einzelgespräch mit seiner ganz klaren Hierarchisierung. Es gibt immer wieder Erlebnisse, manchmal nur von kurzer Dauer, die sehr stark aus dem Alltag herausragen und dauerhaft haften bleiben. Dieses entschädigt für den Mehraufwand.



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