SOZIALPÄDAGOGISCHE GRUPPENARBEIT

MIT PROBANDEN DER JUGENDBEWÄHRUNGSHILFE

B E R L I N

V O N :

HANS-JOACHIM WENDT
BEWÄHRUNGSHELFER BEI DEM SENATOR
FÜR SCHULE, JUGEND UND SPORT

Internet-HTML-Bearbeitung: Oktober 1997


1. Einleitung:

1.1. Aufgabenstellung des Bewährungshelfers für jugendliche und heranwachsende Probanden

1.2. Entstehung der Gruppenarbeit im Arbeitsfeld

2. Gesprächsgruppenarbeit :

2.1. Erfahrungen mit praktischer Gesprächsgruppenarbeit 2.2. Auswertung und Schlußfolgerung

3. Anfänge der Segelgruppenarbeit :

3.1. Die erste Begegnung mit dem Medium Segeln und Probanden 3.2. Auswertung und Schlußfolgerung

4. Das Langzeitkonzept :

4.1. Das kombinierte Langzeitkonzept der Gruppenarbeit

- Das Schiff - Die Mitarbeiter - Die Probanden - Aufbau der Gruppen und Kennenlernen - Die Vorbereitungszeit - Das Große Ereignis : Der Törn - Die Gruppe nach dem Törn - Abschied

4.2. Das Experiment: Die Schiffbaugruppe

4.3. Supervision: Die Stütze des Langzeitkonzepts

5. Erfahrungen und Perspektiven :

5.1. Auswertung und Schlußfolgerungen

5.2. Weitere Perspektiven Aufgabenstellung des Bewährungshelfers für jugendliche und heranwachsende Probanden


Ebenso wie in den übrigen Stadtstaaten Hamburg und Bremen ist auch in Berlin die Zuständigkeit der Bewährungshelfer im Gegensatz zu den Flächenstaaten der Bundesrepublik, in zwei große Aufgabenkategorien unterteilt, nämlich in :

- Bewährungshelfer für jugendliche und heranwachsende Probanden
- Bewährungshelfer für erwachsene Probanden.

Diese Aufteilung der Arbeitsgebiete findet ihre Begründung in der Erfahrung, daß die Probleme, die während der Zusammenarbeit geklärt werden sollen, zwischen jugendlichen und erwachsenen Straftätern grundverschieden sind und spezialisiertes sozialpädagogisches Handeln des jeweiligen Bewährungshelfers verlangen.

Während bei den erwachsenen Probanden erfahrungsgemäß neben tiefgreifenden, manifesten Störungen des Persönlichkeitsbildes, Partnerprobleme, finanzielle Aspekte und Schuldenregulierungsaufgaben im Vordergrund stehen, finden wir bei jugendlichen und heranwachsenden Probanden viel eher nicht ausgereifte Zustandsbilder, die aufgrund früher Sozialisationsstörungen oder Defizite zu delinquenten Handlungen geführt haben.

Neben dieser fast schon als klassisch zu beschreibenden Fehlentwicklung treten in letzter Zeit verstärkt junge Menschen als Bewährungshilfeprobanden auf, die am ehesten mit dem Begriff der "Wohlstandsverwahrlosung" zu klassifizieren sind. Dieser Personenkreis fällt dadurch auf, daß er dem ersten Augenschein nach aus völlig intakten sozialen Verhältnissen stammt, gleichwohl aber wegen schwerster krimineller Delikte, wie fortgesetzter Betrügereien, Scheckfälschungen oder aber auch räuberischer Erpressungen oder Raubdelikten mit Todesfolge gerichtlich verurteilt worden ist. Erst im Verlauf der Betreuung dieser Probanden wird dann deutlich, daß sie häufig sich selbst überlassen sind, sich einsam fühlen und, während die Eltern der gemeinsamen Absicherung des scheinbar erreichten Wohlstandes nacheilen, ihre Orientierung durch Leitbilder aus zu Gewalt oder Drogenkonsum neigenden Jugendgruppen oder von Medienhelden beziehen.

Alle diese Formen der Jugenddelinquenz bedürfen der besonderen Fachkunde des Jugendbewährungshelfers, der mit geeigneten Betreuungsmaßnahmen versuchen wird, helfend und regulierend einzugreifen. Hierzu wird neben der persönlichen und sozialpädagogischen Hilfe auch die intensive Arbeit mit dem sozialen Umfeld, wie z.B. Eltern, Schule und Arbeitsplatz gehören.

Gerade in den letzten Jahren tritt in massiver Form das Problem der Jugendarbeitslosigkeit hinzu, welches den vom Bewährungshelfer betreuten Personenkreis besonders dadurch betrifft, daß diese Klientel über einen unterdurchschnittlich schlechten Schulabschluß verfügt und gleichzeitig durch die Straftat mit allen damit verbundenen Folgen besonders stigmatisiert ist. Unterstellungsgrundlagen für Bewährungsbetreuungen sind:

1.: Die durch das Gericht ausgesprochenen Erziehungsweisungen gem. § 10 Jugendgerichtsgesetz (JGG) sich einem Bewährungshelfer zu unterstellen

2.: Schuldsprüche gem., § 27 JGG, bei denen zwar durch Urteil die Schuld festgestellt, jedoch die Entscheidung über die Verhängung von Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird,

3.: Verurteilungen zu festen Jugendstrafen von bis zu einem Jahr (§ 21,1 JGG), deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird,

4.: oder bis zu zwei Jahren (§ 21,2 JGG), deren Vollstreckung ebenfalls bei Vorliegen besonderer Umstände ausgesetzt werden kann,

5.: Bedingte Entlassungen aus dem Jugendstrafvollzug gemäß §§ 88,89 JGG

6.: Entscheidungen darüber, ob eine Strafaussetzung zur Bewährung in Betracht kommt, werden für 6 Monate ausgesetzt; § 57 JGG

7.: Unterstellungen aufgrund eines Gnadenerweises oder nach anderen Rechtsgrundlagen.

Hierzu erläuternd folgende Graphik nach prozentualer Häufigkeitsverteilung der verschiedenen Unterstellungsgründe und Abschlüsse im Jahre 1985 bei den Bewährungshelfern für Jugendliche und Heranwachsende bei dem Senator für Jugend und Familie in BERLIN.

(Abb.1)

Quelle: Datenmaterial der Bewährungshelfer Jugend bei dem Senator für Jugend u. Familie BERLIN


Entstehung der Gruppenarbeit im Arbeitsfeld

Der Gedanke, die dem jeweiligen Bewährungshelfer unterstellten Probanden neben der klassischen Form der Einzelhilfe auch in Gruppen zu betreuen, ist naheliegend. Der Mensch als "soziales Wesen" lebt ständig in Bezugsgruppen in der Familie, im Kindergarten, in der Schule, in der Freizeit oder am Arbeitsplatz. Dort können bekanntermaßen Störungen auftreten , die auf die jeweilige Persönlichkeit einwirken. Insbesondere bei jugendlichen und heranwachsenden Probanden kommen oft noch solche Gruppierungen hinzu, die delinquente Orientierungen bieten und negativen Einfluß auf den zu betreuenden jungen Menschen ausüben können.

So wurde in Berlin bereits Anfang 1970 damit begonnen, Gruppenarbeit für Probanden zu institutionalisieren, deren Ziel darin bestehen sollte, auf Gruppenprozesse unter Zuhilfenahme gruppendynamischer Methoden einzuwirken und Veränderungen zu initiieren.

Die Unzufriedenheit einzelner Jugend-Bewährungshelfer mit den nicht immer ausreichend erscheinenden Ergebnissen der üblichen Einzelbetreuung, sowie mit der mangelnden institutionellen Unterstützung bereits bestehender Gruppen führte Mitte 1973 zu Kontakten zwischen Bewährungshelfern und Mitarbeitern des Instituts für Forensische Psychiatrie der Freien Universität Berlin. Das Institut seinerseits hatte aus wissenschaftlichen Gründen Interesse an der Entwicklung ambulanter Therapiemaßnahmen für Delinquente. Hieraus entwickelte sich im Laufe des Jahres 1974 die aktive, kontrollierte Gruppenarbeit mit Probanden der Jugend-Bewährungshilfe. Die Gruppen wurden von je einem Institutsmitarbeiter und einem Bewährungshelfer geleitet.

Gleichzeitig bildeten die Betreuer einen Arbeitskreis mit der Zielsetzung, Erfahrungen auszutauschen, ein gemeinsames methodisches Konzept zu erarbeiten und die Institutionalisierung von Gruppenarbeit in der Bewährungshilfe zu ermöglichen.

Der gemeinsamen Arbeit lag die Hypothese zugrunde, daß Gruppenarbeit die Möglichkeiten der sozialen Eingliederung von jugendlichen und heranwachsenden Straftätern erweitert. Probanden mit vergleichbarer Grundproblematik sollten in methodisch betreuten Gruppen lernen , ihre Probleme nicht nur individuell zu verstehen und zu lösen, sondern diese auch als gemeinsam zu begreifen und zu bewältigen. Durch Nutzung des Gruppenprozesses und der Interaktion sollten Kommunikation und korrigierendes Lernen ermöglicht werden.

In dieser Entwicklungsphase nahm der Verfasser im Januar 1975 seine Tätigkeit als Jugend-Bewährungshelfer mit dem Zuständigkeitsbereich Berlin-Reinickendorf "Märkisches Viertel", einer künstlichen Trabantenstadt mit vielen zusätzlichen architektonisch-soziologischen Problemen, auf.

Bereits nach kurzer Einarbeitungszeit wurde deutlich, daß die mit den Probanden geführten Einzelgespräche nicht ausreichten, die gewünschten Veränderungsprozesse im psychosozialen Bereich einzuleiten und zu kontrollieren. Erfahrungen mit praktischer Gesprächsgruppenarbeit

Es wurden daher erste Kontakte mit dem oben erwähnten Arbeitskreis "Gruppenarbeit mit Probanden der Bewährungshilfe" in Zusammenarbeit mit dem Institut für Forensische Psychiatrie der Freien Universität BERLIN geknüpft. Daraus entwickelte sich ein intensiver Gedankenaustausch, der im November 75 die erste Gesprächsgruppe im "Märkischen Viertel" in Kooperation mit einer Soziologin des Instituts ermöglichte.

Entsprechend dem damaligen, gemeinsam im Arbeitskreis entwickelten Konzept wurden systematisch dem Autor unterstellte Probanden nach zuvor festgelegten Kriterien ausgesucht und für die Teilnahme an Gruppengesprächen motiviert. Als Auswahlkriterien hatten sich in längeren Diskussionsprozessen für sinnvoll erwiesen:

1. Gruppenfähigkeit definiert als die Fähigkeit, soziale Kontakte in der Gruppe aufzunehmen und Beziehungen einzugehen

2. Freiwillige Teilnahme an den Gruppengesprächen

3. Intellektuelle Möglichkeit der verbalen Teilnahme an den Gruppengesprächen

4. Positiver Kontakt zum Bewährungshelfer

5. "Bedürftigkeit" für Gruppenarbeit, soweit einschätzbar.

6. Ein ausreichend langer Zeitraum der Bewährungsunterstellung, mindestens ein Jahr

Als Ausschlußkriterien wurden damals definiert:

1. Vorliegen einer deutlichen hirnorganischen Behinderung

2. Akute Drogen- oder Alkoholabhängigkeit

3. Zu erwartender Widerruf oder Beendigung der Strafaussetzung zur Bewährung

Nach einer hinreichenden Anzahl an Vorgesprächen, bei denen die jungen Leute auch die Möglichkeit hatten, die Kotherapeutin kennenzulernen, und anläßlich derer sie auch eingeladen wurden, eine Bezugsperson mit zu den Gruppengesprächen zu bringen, fanden ab November 1975 die ersten Gruppentreffen, einmal wöchentlich für ca. zwei Stunden statt.

Die hier gewonnenen Einsichten und Erfahrungen, die in Supervisionsgesprächen reflektiert wurden, ermutigten zu weiterer kontinuierlicher Gruppenarbeit. Insbesondere wurde rasch deutlich, daß das Gruppengespräch wesentlich besser geeignet war, bestehende Hintergrundprobleme der Probanden aufzudecken, gegenseitige Anteilnahme zu vermitteln und durch die Unterstützung anderer Gruppenmitglieder, die gleichen Erfahrungshintergrund haben, Hilfemöglichkeiten zu erarbeiten und solidarisches Handeln zu erlernen. Gemeinsam mit der Soziologin des Instituts für forensische Psychiatrie der Freien Universität BERLIN fanden zwei Gruppendurchgänge von jeweils etwa einem Jahr Dauer einschließlich einer Auswertungs- und Konsolidierungspause von etwa sechs Monaten statt. Eine in der Auswertung vorgenommene Protokollanalyse ergab die nachfolgend graphisch dargestellte Verteilung während der Gruppengespräche behandelter Themenschwerpunkte :

(Abb.2)

Quelle: Gruppenprotokolle des Verfassers aus dem Gruppendurchgang 77/78)

Die Balkendiagramme weisen jeweils auf folgende Themenschwerpunkte hin:

1.- Freizeitaktivitäten (z.B. Kinobesuch, Pizzaessen, etc) 2.- Information über Sachfragen, z.B. Sozialhilferecht, Strafrechtsfragen etc. 3.- Regelung von Organisationsabläufen 4.- Besprechen institutioneller Probleme, z.B. auf dem Arbeitsamt, im Sozialamt, mit Gerichten und Vollstreckungsbehörden, etc. 5.- Konflikte und Auseinandersetzungen mit den Betreuern, jedoch besonders mit dem Bewährungshelfer 6.- Individuelle Probleme einzelner Probanden im sozialtherapeutisch-themenzentrierten Gruppengespräch 7.- Interaktionsabläufe innerhalb der Gruppe, Rollenspiele und Video-feedback 8.- Beschäftigung mit dem "Wir: Die Gruppe", Erwartungen und Perspektiven 9.- Sonstige Themen

Bei der Betrachtung des Diagramms wird deutlich, daß die erreichten Werte für:

- Individuelle Problemerörterung - Interaktion und - Wir: Die Gruppe

den meisten Raum eingenommen haben. Dies weist auf den auch für uns als Betreuer zunächst überraschend hohen Standard der Verbalisierungs- und Introspektionsfähigkeit einzelner Probanden hin. Gleichzeitig fiel jedoch bereits damals auf, daß sowohl in den Vorgesprächen, als auch später in den Gruppen verbal überlegene Probanden dominierend in Erscheinung traten und oft nicht bereit waren, auf Bedürfnisse der Teilnehmer Rücksicht zu nehmen, die nicht in dem Maße in der Lage waren, ihre Wünsche zu artikulieren.

Hier mag auch eine Ursache für die jeweils in der zweiten Hälfte der Gruppendurchgänge zu beobachtende Abnahme der Teilnahmehäufigkeit liegen, die mit Abb. 3 verdeutlicht werden kann.

(Abb.3)

Quelle: Aufzeichnungen des Verfassers

Mit jeder dieser Gruppen wurde als besonderer Höhepunkt der Zusammenarbeit bereits damals eine Wochenendreise an einen möglichst isolierten und reizarmen Ort in der Bundesrepublik unternommen, die das Ziel hatte, die bisher gewonnenen Erfahrungen zu vertiefen und, herausgelöst aus der gewohnten Umgebung des "Märkischen Viertels", einmal andere menschliche und gruppendynamische Erfahrungen zu machen.

Alle diese Veranstaltungen wurden von den Probanden äußerst positiv aufgenommen und bewertet. Die Teilnehmer hoben insbesondere hervor , daß durch die längere Zeit des Zusammenseins Kameradschaft und besseres Verständnis für individuelle und gemeinsame Probleme und Verhaltensweisen gewachsen war. Auch die Gruppenleiter gewannen bei diesen Intensivveranstaltungen bessere Einsichtsmöglichkeiten in die jeweils bestehenden Verhaltensdefizite, deren Ursachen und Abhilfemöglichkeiten.

Die Gruppen waren während dieser Zeit auf Selbstversorgung und Selbstbestimmung des Tagesablaufes angewiesen, so daß sie auch ganz alltägliche Probleme, wie die Zubereitung der Mahlzeiten, gemeinsame Ablaufplanung, Gestaltung von Freizeit, Gruppensitzungen und Erholung bewältigen mußten.

Es zeigten sich teilweise erhebliche Sozialisationsdefizite, die bisher weder in Einzelgesprächen, noch im reinen themenzentrierten Gruppengespräch deutlich geworden waren. Diese Defizite traten sowohl bei den praktischen Verrichtungen, wie z.B. der Unfähigkeit, Kartoffeln zu schälen und zu kochen, aber auch dann zutage, wenn es oft nur mit Hilfe der Gruppenleiter möglich war, eine realistische Tagesstruktur zu planen und zu realisieren. Dabei wechselte häufig die Überschätzung eigener Möglichkeiten, wie z.B. "wach zu bleiben und noch nicht schlafen zu müssen" mit der Unterschätzung eigener intellektueller und sozialer Ressourcen in erschreckendem Tempo ab, so daß bei den Betreuern nach Abschluß der Fahrten jeweils das Gefühl zurückblieb, erhebliche Defizite nicht mit neuen Erfahrungen gefüllt haben zu können. Eine weitere Gesprächsgruppe mit Bewährungshilfe-Probanden fand ab Herbst 78 mit einer im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Verfassers tätigen Jugendgerichtshelferin statt, die durch Supervision einer Mitarbeiterin der Sozialpädagogischen Fortbildungsstätte Haus Koserstraße BERLIN begleitet wurde.

Dieser Gruppendurchgang orientierte sich an den zuvor geschilderten methodischen Ansätzen und Konzepten, sowie den bereits gewonnenen Erfahrungen.

Auch mit diesen Probanden führten wir eine intensive und ergebnisreiche Wochenendfahrt durch, die von den Problemen einer massiv heroinabhängigen, schwangeren Probandin, die wir, entgegen dem konzeptionellen Gebot, an der Gruppe erfolgreich teilnehmen ließen, gekennzeichnet war.


Auswertung und Schlußfolgerungen

Als Mangel der ausschließlich gesprächsorientierten Gruppenarbeit stellte sich alsbald heraus, daß für diese Form der Zusammenarbeit im Rahmen der Bewährungshilfe nur diejenigen Probanden zu motivieren waren, und bis zum Ende an den Gruppendurchgängen teilnahmen, die sich durch einen hohen Grad an Verbalisierungsmöglichkeiten sowie ein gutes Ausdrucksvermögen auszeichneten. Weiterhin mußte ein relativ hohes Maß an Durchhaltevermögen erbracht werden, denn es galt, etwa ein Jahr regelmäßig einmal wöchentlich an Gruppengesprächen teilzunehmen.

Ein quantitativ nicht zu unterschätzender Anteil der hier zu betreuenden Probanden bestand und besteht jedoch auch aus Jugendlichen und Heranwachsenden, die zunächst nicht in der Lage sind, sich sprachlich angemessen auszudrücken, den eigenen Gefühlshintergrund zu explorieren, in der Gruppe darzustellen und auf diesem Wege Verhaltensänderungen einzuleiten. Dies führte beim Verfasser im Laufe der Jahre zu einem zunehmenden Mangelerlebnis, da gerade dieser Teil der Klientel sich kriminologisch als besonders gefährdet erwies und mit der Gesprächsgruppenarbeit kaum zu erreichen war.

Hinzu kam die Erkenntnis, daß von Seiten der Betreuer offenbar der Wunsch der Probanden, etwas zusammen zu erleben, zwar in Form von jeweils einer Wochenendfahrt aufgenommen, jedoch qualitativ im Erlebnishintergrund unterschätzt worden war. Hier blieb also zunächst der Erlebnis- und Erfahrungsschatz, den erlebnispädagogisch orientierte Unternehmungen bieten können, der Arbeit mit Bewährungshilfeprobanden verschlossen. Die erste Begegnung der Probanden mit dem Medium Segeln

Parallel zu der geschilderten Gesprächsgruppenarbeit ergaben sich erste Kontakte mit dem Segeln durch die Neigung des Verfassers zu dieser Sportart und das eigene Erleben der Freiheit, der Ruhe und der Zufriedenheit beim Kontakt mit Wind, Wasser und Wellen auf einem Schiff.

Es wurden Überlegungen angestellt, ob es möglich sei, diesen Erlebnisraum auch den Probanden zu eröffnen und zur Aufarbeitung der vorhandenen Verhaltensdefizite sozialpädagogisch sinnvoll einzusetzen.

Ein weiteres Moment war der Gedanke, alternative, eher erlebnisorientierte Formen von Gruppenarbeit mit Probanden der Bewährungshilfe durchzuführen, die keine Gesprächskonzeption als Grundlage hatten, sondern sich eines Mediums in zeitlich begrenztem Rahmen bedienten.

Durch Literaturstudium und Lektüre von Veröffentlichungen von Gruppen, die, insbesondere im skandinavischen und norddeutschen Raum bereits seit längerer Zeit derartige Gruppenprojekte mit Randgruppenklienten durchführten, ergab sich die Überlegung, zunächst einmal versuchsweise eine eigene Projektgruppe aufzubauen und im Arbeitsbereich Jugendbewährungshilfe in BERLIN zu erproben.

Im Zuge dieser Vorüberlegungen eröffneten sich Gespräche mit dem Jugendgerichtshelfer der damaligen Senatsverwaltung für Schulwesen, Jugend und Sport, Peter REINICKE, der eigene Erfahrungen aus einem gesondert veröffentlichten Modellprogramm "Erziehungs- und Erfahrungskurse" mit einbrachte. (Vgl.: Hartmann,I: u. Reinicke, P: Erziehungs- und Erfahrungskurse 1978 BERLIN).

Ausgangspunkt für die damaligen, in einer schriftlichen Konzeption niedergelegten Überlegungen war die vorwiegend positive Erfahrung mit auf Grundlagen der Erlebnispädagogik aufgebauten "Erziehungs- und Erfahrungskursen" in den Jahren 1977/78 in BERLIN. Außerdem sollten weitere Versuche mit zeitlich befristeten Kursen auf der Grundlage des bisherigen Modellprogramms dieser Kurse gemacht werden.

Durch gleichzeitige, im Bereich der öffentlichen Verwaltung einmalig günstige und heute nicht mehr vorstellbare Finanzierungsvoraussetzungen, - es standen plötzlich 6 000.00 DM für Projektarbeit zur Verfügung -, ergab sich kurzfristig die Möglichkeit, im Spätherbst 1979 ein gerade restauriertes Segelschiff, die Zweimast-Toppsegel-Yawl "Carmelan von Alt-Duvenstedt" für unser Vorhaben mit einer zweiköpfigen Besatzung für eine Woche zu chartern.

Das Schiff war 1927 als Fischereigaleasse bei Jörne & Jacobson in Frederikshavn/Dänemark auf Kiel gelegt worden und wurde vom derzeitigen Eigner im Jahr 1979 auf einer kleinen Werft in Rendsburg vollständig restauriert und mit einem neuen Rigg (Mast und Takelage) versehen, welches etwa 250 qm Gesamtsegelfläche tragen kann.

Sehr bewußt zielten wir bei dieser Planung darauf ab, nicht wie bisher das methodisch-themenzentrierte Gespräch mit den Probanden in den Vordergrund zu stellen, sondern vielmehr die Auseinandersetzung mit der neuen Situation, dem Segeln und den dabei gemachten Erfahrungen zu fördern. Nun endlich schien es uns auch möglich, Probanden jener Zielgruppe zu erreichen, die aus den bisherigen gesprächsorientierten Angeboten herausgefallen waren, nämlich solche Jugendlichen, die sich Gruppen mit rockerähnlichen Führungsstrukturen angeschlossen hatten und die oft besonders rückfallgefährdet erschienen. Wenn es überhaupt einmal dazu kam, daß diese Probanden das Gruppenangebot annahmen oder zumindest an einigen Gesprächen teilnahmen, so waren sie häufig dem Spott und dem Gruppendruck in der Rockerclique ausgesetzt, denn "von Bewährungshelfern läßt man sich nicht vollquatschen!" Mit dem eher erlebnisorientierten Projekt "Sozialpädagogisches Segeln" auf der "Carmelan von Alt-Duvenstedt" wurde somit erstmals in BERLIN im Bereich der Bewährungshilfe erfolgreich der Versuch unternommen, mit Hilfe einer zunächst scheinbar nicht sozialpädagogischen Methode auch diesen Klientenkreis zu erreichen, ihn für eine Zusammenarbeit zu motivieren und gegenseitige Vorurteile abzubauen.

Dem Projekt lagen folgende konzeptionelle Zielsetzungen zugrunde:

1. Vermittlung positiver Erfahrungen unter Betonung des Gruppen- und Mannschaftsaspektes.

2. Einübung solidarischen Verhaltens in Hinblick auf ein kurzfristig erreichbares Ziel, wie z.B. Ausführung eines bestimmten Segelmanövers.

3. Das Erleben einer gemeinsamen Gefahr, wie sie das Segeln ständig bietet, oder das Gehen einer gemeinsamen Wache und gemeinsame Verantwortung bei Diensten, z.B. Verpflegung und Versorgung der Mannschaft für einen Tag.

4. Die Auseinandersetzung mit zuvor genau festgelegten und bestimmbaren Macht- und Führungsstrukturen, die sich zwangsläufig durch klare Kompetenz an Bord eines Segelschiffes ergeben.

5. Die Konfrontation mit fachlich begründbarer Autorität durch eigene Einsicht.

6. Der Lernprozeß, in zeitlich begrenztem Rahmen einseh- und nachvollziehbare Anpassungsleistungen zu vollbringen.

7. Aufzeigen alternativer Freizeitmöglichkeiten, z.B. Segeln, Angeln, Rudern.

8. Übung von realitätsangemessener Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber zur Durchsetzung des berechtigten Sonder- oder Bildungsurlaubsanspruches für die Fahrtteilnahme, ohne das Beschäftigungsverhältnis zu gefährden.

In Einzelgesprächen und vorbereitenden Gruppensitzungen stellten wir eine Gruppe von 12 motivierten Probanden zusammen, die für die geschilderte Zielsetzung geeignet erschien und von der Idee, auf einem alten Segelschiff eine Woche gemeinsam auf der Ostsee zu verbringen, begeistert waren. Parallel dazu wandten wir erhebliche Mühen für die finanzielle, konzeptionelle und personelle Absicherung des Unternehmens auf.

Im Frühjahr 1979 begannen wir mit regelmäßigen wöchentlichen Gruppentreffen, die die organisatorische Planung und segeltechnische Vorbereitung zum Inhalt hatten. Hierbei wurden Grundbegriffe des Segelns theoretisch genauso vermittelt, wie praktische Fertigkeiten, z.B. das Anfertigen von Seemannsknoten.

Parallel hierzu fanden an den Wochenenden bis zur Abreise praktische Segelübungen auf zwei kleineren Schiffen auf Berliner Gewässern statt, bei denen uns ein Segellehrer unterstützte. Besonders beim gemeinsamen Segeln, aber auch während der Vorbereitungsgespräche, die nicht methodisch strukturiert waren, lernten sich die Probanden kennen und machten als Mannschaft erste Erfahrungen miteinander.

Am 28.10.1979 fuhren wir dann mit noch neun Probanden, zwei Betreuern und viel zu viel Gepäck vom "Märkischen Viertel" mit einem Bus nach Flensburg, wo uns das Schiff erwartete.

Beim Anblick des 25 Meter messenden Zweimasters gab es zunächst Entsetzen, daß man "auf so einem kleinen Schiff" eine Woche leben sollte. Der erste Schrecken legte sich jedoch schnell, und die Gruppe wuchs durch die gemeinsame, fremde und abenteuerliche Aufgabe rasch zu einer erstaunlich gut kooperierenden Mannschaft zusammen, der es in kurzer Zeit gelang, das segeltechnisch nicht ganz einfach zu handhabende Schiff zu beherrschen. Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß auf einem derartigen Schiff keine Hilfsmittel zum Setzen und Bedienen der Segel, wie z.B. Winschen zur Verfügung stehen, wie sie auf modernen Yachten nicht mehr wegzudenken sind. Diese Tatsache verdient besonders dann Beachtung, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die "Carmelan von Alt-Duvenstedt" eine Gesamtsegelfläche von 250 qm tragen konnte, und zum Setzen des Großsegels jeweils vier Crewmitglieder erforderlich waren.

Nach einwöchiger Reise auf der Ostsee , bei der verschiedene Häfen in Dänemark angelaufen worden waren und Passage des Nord-Ostseekanals stellte die Teilnahme an einer Regatta alter Segelschiffe vor Glücksstadt den Höhepunkt der Reise dar.

Durch gute Kooperation und Seemannschaft gelang es, den zweiten Regattaplatz zu belegen, der mit einem großen gekochten Schinken als Preis belohnt wurde. Dies war für die gesamte Mannschaft ein unvergeßliches Erfolgserlebnis.

Die bei diesem Projekt gewonnenen Erfahrungen erwiesen sich als überaus wichtig für die weitere individuelle Betreuung der jeweiligen Probanden, aber auch für die weitere konzeptionelle Entwicklung der Gruppenarbeit.


Auswertung und Schlußfolgerungen

Eine wesentliche Erkenntnis bestand für die Projektleiter in der Einsicht, daß bei vergleichbaren weiteren Unternehmungen auf das bei diesem Projekt bewußt weggelassene sozialpädagogisch orientierte Gespräch künftig nicht mehr verzichtet werden sollte. Da gemeinsame Gruppengespräche nur im Fall akuter Krisen in der Mannschaft oder in Zweierbeziehungen durchgeführt wurden, ergab sich bei den Fahrtteilnehmern rasch ein hoher Aggressionsstau. Hinzu kam verstärkend die Auseinandersetzung mit der ungewohnten Aufgabe und der Dichte des Zusammenlebens. Hieraus wurde für die folgenden Segelgruppen die Verpflichtung zu regelmäßigen abendlichen Gruppengesprächen abgeleitet.

Eine weitere Schwierigkeit, die unsere Probanden in ihrem ohnehin stark verinnerlichten Versorgungsdenken noch unterstützte, war der Umstand, daß die Fahrt insgesamt mit Vollverpflegung gebucht werden mußte. Dies bedeutete, daß wir bei unserer Abfahrt in Flensburg den vollen Proviant für eine Woche, hauptsächlich als Dosen- oder Trockennahrung, übernahmen. Auch war der Wunsch nach Zukauf frischer Nahrungsmittel nur schwer realisierbar. Offenbar wurde von der Gruppe, die die Mahlzeiten in täglich wechselnden Diensten aus den Konserven zubereiten mußte, abgeleitet, daß der Bereich der Essenplanung und Einkauf ihrer Verantwortung entzogen war. So ergab es sich, daß die Probanden an den dargebotenen Speisen fast permanent mäkelten. Wir zogen für weitere Veranstaltungen den Schluß, daß die Planung, der Einkauf und die Verantwortung für die Mahlzeiten von der jeweiligen Gruppe selbst voll zu tragen sind und Konservenverpflegung wie bei dieser Reise nicht mehr stattfinden soll. Dies hat sich, wie noch beschrieben wird, später voll bewährt.

Abgesehen von diesen Aspekten, die jedoch für die Durchführung weiterer Projekte von außerordentlicher Bedeutung waren, ist hervorzuheben, daß bereits dieser erste Modellversuch, der der Entwicklung einer für die Bewährungshilfe verwendbaren Konzeption dienen sollte, als großer Erfolg anzusehen war. Wie die Probanden in späteren Einzelgesprächen immer wieder zum Ausdruck brachten, vermittelte diese Form der Arbeit in der Bewährungshilfe als Gruppenerlebnis tiefe Eindrücke, die geeignet waren, sozialpädagogisch positive Prozesse auszulösen, die auch in das spätere "Landleben" übertragen werden konnten.

Im Vordergrund stand besonders das Erleben, gemeinsam auf unbekannten Gewässern ein Schiff erfolgreich zu beherrschen und zum Ziel zu führen. Positiv abweichend von sonstigen Erfahrungen mit unserer hochspezialisierten Umwelt konnte dies jedoch nur gelingen, wenn nicht nur isolierte Einzelleistungen erbracht wurden, sondern wenn es gelang, gemeinsam zu handeln.

Weiter hervorhebenswert ist die Erfahrung, daß die jeweilige Beziehung Proband - Bewährungshelfer durch ein derartiges gemeinsames Erlebnis nachhaltig positiv beeinflußt wurde. In jedem Einzelfall vermittelte dies dem Bewährungshelfer ein besseres Verständnis der Probanden-Persönlichkeit und der individuellen Hintergrundproblematik. Hieraus konnten gezieltere Hilfen vom Bewährungshelfer angeboten und von den Jugendlichen besser angenommen werden.

Diese erste Projektgruppe beendeten wir mit einem Filmabend, nach dem es keine weiteren Treffen gab.


Das kombinierte Langzeitkonzept der Gruppenarbeit

Die Erfahrung der Reise mit Bewährungshilfeprobanden auf der "CARMELAN" legte es nun nahe, die Vorzüge beider bisher erprobter Formen der Gruppenarbeit, nämlich problemorientierte, probandenzentrierte Gesprächsgruppen einerseits mit den Möglichkeiten des Erlebens und der Selbsterfahrung auf einem größeren Segelschiff andererseits zu verknüpfen und hieraus ein methodisches Langzeitkonzept zu entwickeln. Dieses Vorgehen sollte es gestatten, sowohl die sozialtherapeutischen Möglichkeiten der Selbstexploration, Verbalisierung und Problemverarbeitung im Gespräch zu nutzen, als auch Probanden auf dem Erlebnisweg anzusprechen, die der reinen Gesprächsgruppenarbeit ohne praktischen Handlungsteil nicht zugänglich sind.

In der Zeit von 1980 - 1987 wurden, in verschiedenen Mitarbeiterkonstellationen, vom Verfasser insgesamt vier Gruppen mit jugendlichen und heranwachsenden Probanden der Bewährungshilfe bei dem Senator für Jugend und Familie in BERLIN nach diesem kombinierten Konzept durchgeführt, bei denen jeweils der Höhepunkt der Zusammenarbeit in einem etwa 10-tägigen Segeltörn auf der Segelyacht "TU WAS" im Seegebiet der Dänischen Südsee bestand.

Das Schiff:

Für die Projektphase steht jeweils ein ca. 12 Meter langes Stahlschiff, die Segelyacht (SY) "TU WAS" zu unserer Verfügung. Dieses Schiff wurde einem Trägerverein, dem Verein "Sozialpädagogisches Segeln 77 e.V." von der Berliner Jugendverwaltung übertragen mit der Maßgabe, das Schiff für Projektarbeit, insbesondere mit behinderten und gefährdeten Jugendlichen und Heranwachsenden zur Verfügung zu stellen, seglerisch einsatzbereit zu halten und jeweils eine zweiköpfige Mannschaft bereitzustellen, die über die erforderliche fachliche Seemannsqualifikation verfügt.

Die "TU WAS" bietet für die Projektarbeit im Bereich der Jugendbewährungshilfe den Vorzug, daß sie, auch unter Berücksichtigung der weiter nachhaltig restriktiven Haushaltspolitik insbesondere im Jugendbereich, mit einer täglichen Pro-Kopf-Chartergebühr von 10,00 DM sehr preiswert und daher auch für die Jugendlichen finanzierbar ist.

Das Schiff selbst ist aufgrund seiner Bauart, nämlich einem stabilen Stahlrumpf, der nicht übertakelt ist, in seinen Segeleigenschaften und mit der vorhandenen Ausrüstung ausgesprochen gutmütig zu segeln und daher auch für Jugendliche nach einer Eingewöhnungszeit durchaus handhabbar.

Während der Segelsaison von Frühjahr bis Herbst liegt die "TU WAS" im Yachthafen von Flensburg und fährt von hieraus die Törns mit den jeweiligen Gruppen.

Zum Ende der Saison wird das Schiff auf dem Binnenwasserstraßenweg nach BERLIN gebracht, hier bis zum Ende der Segelsaison auf den BERLINER Gewässern genutzt und dann ins Winterlager gebracht und gewartet.

Die Mitarbeiter

Im Verlaufe langjähriger Gruppenarbeit mit Probanden wurden auch zahlreiche Erfahrungen mit unterschiedlichen Mitarbeitern in den Gruppen gemacht.

Zunächst einmal stellt sich die grundsätzliche Frage, ob der Einsatz eines zweiten Mitarbeiters in der Gruppe überhaupt sinnvoll und notwendig ist.

Bei dieser Betrachtung soll vornehmlich die besondere Beziehung zwischen Proband und Bewährungshelfer untersucht werden.

Hierbei muß berücksichtigt werden, daß es sich um eine vom Jugendgericht angeordnete, und zunächst von dem zu Betreuenden als Zwangsmaßnahme empfundene Beziehung handelt, die erhebliche Einschränkungen der persönlichen Freiheit, nämlich die Verpflichtung zum regelmäßigen Kontakt und Gespräch beinhaltet. Hält der Proband diese Verpflichtung nicht ein, so ist dies vom Jugendgericht mit Sanktionen bedroht, die von der Ermahnung bis hin zu einem möglichen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung reichen können, wenn sich durch den nicht bestehenden Kontakt für das Gericht die Besorgnis ergibt, der Proband könnte erneut straffällig werden.

Vom methodischen Geschick, dem Einfühlungsvermögen und der Beziehungsbereitschaft des Bewährungshelfers und des Probanden hängt es nun ab, ob es im Verlauf der Zusammenarbeit gelingt, aus dieser angeordneten "Zwangsbeziehung" eine sozialpädagogisch sinnvolle Maßnahme werden zu lassen.

Es zeigt sich immer wieder, daß gerade in der Zeit der ersten Kontakte zu einem neuen Probanden eine Reihe von Vorurteilen, Mißtrauen, Befürchtungen und Ängsten zu überwinden sind. Dies gilt sowohl für die im Rahmen der Einzelarbeit betreuten Probanden, aber auch für diejenigen, die sich nach einer Reihe von Einzelgesprächen für die Teilnahme an einer Gruppenarbeit entscheiden.

Zu Beginn der Gruppenarbeit stellt der Bewährungshelfer mit seinen durchaus realen Machtmöglichkeiten zunächst eine Autoritätsperson dar, der, trotz der Freiwilligkeit der Teilnahme an den Gruppengesprächen, nicht nur mit positiven Gefühlen begegnet wird.

Die Aufgabe des zweiten Mitarbeiters in einer Probandengruppe wird es nun im günstigen Fall sein, hier eine katalytische und vermittelnde Rolle einzunehmen, die dem Probanden möglicherweise eher Identifikationsmöglichkeiten bietet.

Weiterhin kann der zweite Mitarbeiter auch für den Bewährungshelfer eine wertvolle emotionale Stütze sein, wenn es darum geht, instututionelle Konflikte mit dem Fachbereich Bewährungshilfe durchzustehen, vor dem die Folgen der "Wendepolitik" gerade im finanziellen Bereich und bei der Förderung von sozialpädagogischen Sondermaßnahmen nicht Halt gemacht haben. Zur Gestaltung sozialpädagogisch sinnvoller Rahmenbedingungen ist der zweite Mitarbeiter daher unabdingbar, wenn es gelingen soll, von einer eher konfrontativ-autoritätsbesetzten Zusammenarbeit zu einem vertrauensvoll-explorativen Gruppenklima zu finden, welches es auch möglich macht, einen Segeltörn zusammen erfolgreich zu erleben.

In der Zeit der Mitwirkung des Instituts für Forensische Psychiatrie stellte dies, wie bereits dargestellt, jeweils Mitarbeiter hierfür aus einem zweiten Fachgebiet, nämlich Soziologen, Psychologen oder auch Fachärzte zur Verfügung. Reibungsflächen entstanden in dieser Konstellation immer dann, wenn es nicht gelang, interdisziplinär unterschiedliche Arbeitsansätze so zu koordinieren, daß diese auch für die praktische Gruppenarbeit sinnvoll einsetzbar waren. Es bestand bei diesem Betreuerpaar also zunächst die Gefahr, daß eine Rollenverfestigung in dem Sinne eintrat, daß der Bewährungshelfer als "Praktiker" auftrat und der wissenschaftliche Mitarbeiter eher die Rolle des "forschenden Begleiters" übernahm.

Aus dieser Einsicht wurde später die Zusammenarbeit mit einer Mitarbeiterin der für den Arbeitsbereich "Märkisches Viertel" zuständigen Jugendgerichtshilfe angestrebt und über Jahre hinaus, sowohl bei den themenzentrierten Gesprächsgruppen, als auch zu Beginn der Arbeit nach dem kombinierten Langzeitkonzept, erfolgreich praktiziert. Die Zusammenarbeit beendete sich erst dann, als diese Mitarbeiterin in den Arbeitsbereich Bewährungshilfe überwechselte und die Gruppen nun mit zwei "Autoritätspersonen" besetzt waren, so daß die eingangs geschilderte katalytische Rollenverteilung nicht mehr in der ursprünglich angelegten Form realisiert werden konnte.

Diese Erfahrung verstärkte sich zusehends, als ein Gruppendurchgang, der sich zusätzlich mit dem noch näher zu schildernden Experiment beschäftigte, ein eigenes Schiff aufzubauen, aus handwerklich-praktischen Überlegungen heraus mit einem weiteren männlichen Bewährungshelfer besetzt wurde. Schon aus den Gründen der nicht mehr funktionierenden Rollenaufteilung war das Scheitern dieser Gruppenleiterzusammensetzung vorprogrammiert.

Hieraus ergab sich die Notwendigkeit, für die Weiterführung der Projektarbeit nach einem Mitarbeiter zu suchen, der sowohl Sozialpädagoge als auch engagierter Segler war, aber auch keine Ambitionen zeigte, in den fachlich durchaus attraktiven Aufgabenbereich des Jugend-Bewährungshelfers zu wechseln.

Es gelang nach längerer Zeit, teilweise frustrierenden Suchens mit etwas Glück, einen geeigneten und sehr interessierten Mitarbeiter zu finden, der alle geschilderten Voraussetzungen mitbrachte und zudem über großes, bei dieser Arbeit notwendiges Engagement, methodische Kenntnisse und Einfühlungsvermögen in die praktische Gruppenarbeit mit Probanden verfügte.

Mit diesem Kollegen wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt gerade ein weiterer Gruppendurchgang nach dem geschilderten Konzept abgeschlossen und nach einer Auswertungs- und Ruhephase eine weitere Zusammenarbeit begonnen werden.

Die Probanden

Als Teilnehmer an den fast jährlich stattfindenden Projektgruppen kommen die dem Bewährungshelfer nach verschiedenen Rechtsgrundlagen zur Betreuung unterstellten Probanden in Betracht.

Bereits in den Erstgesprächen wird auf die Möglichkeit einer freiwilligen Teilnahme an der Gruppe hingewiesen, jedoch erscheint aus methodischen Gründen jedes Werben für die Gruppenteilnahme unangebracht, da dies die ohnehin zu Beginn der Zusammenarbeit vorhandene Abwehr noch verstärken und auf die Gruppenarbeit übertragen würde.

So fragen viele der Jugendlichen und Heranwachsenden von sich aus nach einiger Zeit nach der Gruppe und bekunden ihr Interesse an einer Teilnahme.

Gemeinsam mit dem zweiten Mitarbeiter erfolgt dann eine Vorauswahl, die im Wesentlichen folgende Auswahlkriterien zum Inhalt hat:

- Ein für die Gruppenteilnahme ausreichend langer Zeitraum der Bewährungsunterstellung - Freiwilligkeit der Teilnahme - Ausreichende Motivation Veränderungsprozesse in der eigenen Persönlichkeit einzuleiten - Sympathie zu beiden Gruppenleitern

Auf weitere Positiv- und Negativkriterien, wie sie bei der Erörterung der reinen Gesprächsgruppen Erwähnung fanden, wurde aus pragmatischen Gründen verzichtet.

Im Laufe der Jahre ist festzustellen, daß zwar die absolute Anzahl der Bewährungsunterstellungen einem langsamen, aber kontinuierlichen Rückgang unterworfen ist, der Schwierigkeitsgrad der Probanden, die der Bewährungshilfe unterstellt werden, aber ebenso kontinuierlich wie erheblich zunimmt. Von der weitaus größten Zahl der Jugendlichen und Heranwachsenden aus dem Arbeitsgebiet des Autors kann gesagt werden, daß in irgendeiner Form eine Suchtproblematik die ursprünglichen Sozialisationsschäden ergänzt. Das Schwergewicht liegt hier eindeutig auf der gesellschaftlich legitimierten Droge Alkohol, aber die meisten jungen Leute hatten auch Kontakt zu anderen Suchtmitteln wie Haschisch, Tabletten, LSD oder gar Heroin.

Bei der derzeit betreuten Gruppe ist jeder zweite Teilnehmer mehr oder minder als akut suchtabhängig zu beschreiben, so daß dieses einmal eingeführte Ausschlußkriterium unter den heute veränderten Rahmenbedingungen nicht mehr greifen würde. Dies ist eine spezifische Arbeitsbedingung, auf die sich der praktisch tätige Bewährungshelfer einzustellen hat.

Aufbau der Gruppen und Kennenlernen

Nach der Vorauswahl werden gemeinsam mit dem zweiten Mitarbeiter und dem Probanden mehrere Einzelgespräche geführt, deren Ziel es ist, die vorhandene Motivation zur Gruppenarbeit zu klären und zu stärken, Ängste und Befürchtungen aufzunehmen und Einblick in den jeweiligen Problemhintergrund zu erhalten.

Bei einer Anzahl von ca. 20-22 potentiellen Gruppeninteressenten wird dann ein konkreter Anfangstermin für den Gruppenbeginn ins Auge gefaßt und mit den zukünftigen Teilnehmern festgelegt.

Die erste Sitzung ist für alle Beteiligten, sowohl für die Probanden, als auch die Gruppenleiter, sehr aufregend. Regelmäßig stellt sich heraus, daß nicht alle angesprochenen und in den Vorgesprächen motiviert erscheinenden jungen Leute zur ersten Gruppensitzung erscheinen; durchschnittlich kommen zu Erstsitzungen etwa 12 - 15 Teilnehmer.

Das gegenseitige Kennenlernen wird durch ein Partnerinterview erleichtert, bei dem jeweils zwei Gruppenanwärter zunächst ein Einzelgespräch miteinander führen und versuchen, ihre Erwartungen an die Gruppe zu klären sowie die Frage "Wer bin ich, wer bist du ?"

Die Ergebnisse dieser Gespräche bringen die Teilnehmer durch gegenseitiges Vorstellen in das Plenum ein. Dabei oder anschließend werden an Wandzeitungen die Erwartungen und Befürchtungen der Gruppenteilnahme ebenso gesammelt, wie die Themen, die die einzelnen Teilnehmer an der Gruppe interessieren, wobei sich dann etwa folgendes Bild ergibt:

1. Ich erwarte in dieser Gruppe:

- Miteinander klarkommen - Zu sehen, daß ich nicht der Einzige bin, der Probleme hat - Daß die Bewährungszeit verkürzt werden kann - Daß man Spaß haben kann - Daß man sich nicht vor anderen versteckt - Probleme besprechen - Keine "Therapiescheisse" machen

2. Ich befürchte in dieser Gruppe:

- Zu viel Nähe - Daß ich durchschaut werde - Daß das Schiff untergeht

3. Folgende Themen und Aktivitäten sind für mich wichtig:

- Zusammen den Törn segeln - Segeln in Berlin - Wie kriege ich Urlaub für den Törn - Verpflegung an Bord - Aufgabenverteilung an Bord - Gründe für Jugendkriminalität Bei dieser Zusammenstellung fällt zunächst auf, daß die Themenwünsche, die zu Beginn der gemeinsamen Gruppenarbeit eingebracht werden, in erheblichem Maß von den Themen abweichen, die dann im Verlauf der weiteren Gruppenarbeit tatsächlich bearbeitet werden. Bei der Eingabe der Themenwünsche stehen überwiegend rationale Themen im Vordergrund, während sich im Verlaufe der Gespräche, des Kennenlernens und der Vertrauensentwicklung herausstellt, daß die individuelle Problematik einzelner Teilnehmer in den Vordergrund gerät und die Gruppe als Forum benutzt wird, eigene Schwierigkeiten zu klären.

Zur Veranschaulichung folgendes Diagramm, für das aus Gruppenprotokollen die Themen in absoluten Zahlen ausgewertet wurden:

(Abb. 4)

In der folgenden erste Phase der Zusammenarbeit lernen sich die Teilnehmer kennen und entwickeln das notwendige Vertrauen zueinander. Es stellt sich innerhalb der ersten etwa zehn Sitzungen heraus, welche Teilnehmer zum Gruppenkern gehören. Nach aller Erfahrung werden diese Jugendlichen auch den Törn mitsegeln und die sieben auf dem Schiff vorhandenen Teilnehmerkojen belegen.

Bewußt legen die Gruppenleiter dabei zunächst Wert darauf, von sich aus keine "therapieverdächtigen" Themen anzuschneiden, sondern das Schwergewicht auf:

- Üben von Seemannsknoten - Unterweisung in Schiffbau und Seemannschaft - Ausrüstung und Sicherheit an Bord - Verpflegung und Speiseplan - Routenplanung - Vorbereitung des Bildungsurlaubes

zu legen.

Rasch tritt dann innerhalb des Gruppengefüges eine Situation auf, in der die Probanden von sich aus Problemfragen einbringen, die sich mit institutionellen und individuellen Schwierigkeiten Einzelner beschäftigen und dann selbstverständlich aufgegriffen und im themenzentrierten Gruppengespräch bearbeitet werden. Die Vorbereitungszeit

Mit den Gruppentreffen begannen wir etwa 4 - 5 Monate vor dem Segeltörn auf der SY "TU WAS".

Entsprechend dem geschilderten methodischen Vorgehen verlaufen die Zusammenkünfte nach dem Kennenlernen in der bis zum Törn verbleibenden Zeit nach dem Muster, daß sich die Teilnehmer wöchentlich einmal für zwei Stunden treffen. Hiervon findet eine Stunde für die segelpraktische Vorbereitung Verwendung, während in der zweiten Zeiteinheit Wünsche der Probanden aufgegriffen werden, eigene Probleme zu besprechen. Durch diese Art des Vorgehens bereiten wir die künftigen Fahrtteilnehmer nach und nach auf den Lebensrhythmus auf dem Schiff vor, der neben dem praktischen Segelteil das notwendige tägliche Gruppengespräch einschließt.

Im praktischen Teil lernen die Probanden alle auf einem Segelschiff ständig gebräuchlichen Seemannsknoten, die mit vorhandenen Tauenden geübt werden. Der Umgang mit auf dem Schiff vorhandenen nautischen Geräten, wie z.B. einem Echolot zur Tiefenmessung, wird ebenso demonstriert wie die Handhabung von Seekarte, Zirkel und Kompaß.

Meist kann auch ein Probesegeln am Wochenende in Berlin ermöglicht werden, um hier einen ersten Eindruck zu vermitteln.

Die Planung der Verpflegung auf dem Schiff nimmt einen breiten Raum ein. Aus den dargestellten Gründen versorgen sich die Gruppen an Bord selbst, was gründlich geplant werden muß. Für jeden Reisetag werden zwei Fahrtteilnehmer, einschließlich der Gruppenleiter, bestimmt, die als "BACKSCHAFT" für das leibliche Wohl der Mannschaft verantwortlich sind. Die jeweilige "Tagesbackschaft" macht Vorschläge für den Speiseplan, die die Gruppen diskutiert.

Diese Gespräche geben interessante Einblicke in die individuelle soziale Situation der Probanden, wenn rasch deutlich wird, daß eine große Zahl von ihnen auf dem Schiff das erste Mal in ihrem Leben Kontakt mit einem Kochtopf haben wird oder Gerichte zubereiten soll, die nicht aus Dosen und Konserven stammen. Seitens der Gruppenleiter wird diesem Aspekt große Bedeutung im Sinne des lebendigen und praktischen Lernens beigemessen.

Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Vorbereitung der Schul- oder Arbeitsfreistellung für die Zeit der Reise zu betrachten. Es ist wesentliches Ziel der Gruppenleiter, mit den Probanden nach Wegen zu suchen, die es ihnen ermöglichen, im Rahmen des Bildungsurlaubes oder der Schulbefreiung an der Fahrt teilzunehmen, ohne ihren Schul- Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu gefährden. Abgesehen von entsprechenden Bescheinigungen über den Bildungscharakter der Veranstaltung werden im Einzelfall auch Gespräche des Bewährungshelfers mit Schulen, Arbeitgebern und Lehrmeistern erforderlich, die nicht immer einfach sind und nicht in jedem Fall auf entsprechendes Verständnis für die sozialpädagogischen Belange stoßen.

Das große Ereignis: Der Törn

Nachdem alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, der individuell gestaffelte Teilnehmerbeitrag zwischen 70.00 und 150.00 DM bezahlt ist, die Verpflegung eingekauft wurde, die Reiseteilnehmer endgültig feststehen und von ihren sonstigen Verpflichtungen befreit sind, kann es endlich losgehen.

Mit einem Kleinbus fahren wir dann mit der jeweiligen Reisegruppe von BERLIN nach Flensburg, dem Sommerliegehafen der SY "TU WAS".

Der erste Tag vergeht mit Verstauen des Proviantes in die Backskisten, Verteilung der Kojen und Inspektion des Schiffes bis in den letzten Winkel. Nach Möglichkeit erfolgt bereits an diesem Tage eine Unterweisung im Anlegen der Schwimmwesten und Lifebelts und die Sicherheitseinrichtungen.

Je nach Wind, Wetter und zeitlichen Voraussetzungen wählen wir eine Routenführung rund um die Dänische Insel FÜNEN, die sowohl vom Seegebiet als auch von der Landschaft sehr reizvoll ist und für die Durchführung unserer Vorhaben ideale Voraussetzungen bietet wie Abgeschiedenheit, kleine verträumte Häfen und nicht allzu gefährliche Wasserwege.

Bei jeder Gruppe zeigt sich, daß das Leben auf einem Segelschiff ideal für die Selbsterfahrung mit jugendlichen und heranwachsenden Bewährungshilfeprobanden geeignet ist. Wie in keiner anderen Situation der Zusammenarbeit mit einem Bewährungshelfer werden in kurzer Zeit Verhaltensauffälligkeiten und Sozialisationsdefizite deutlich, die auf kurzem Wege zum Ursprung des delinquenten Verhaltens führen.

Gemeinsam lernt die Gruppe, daß nicht eigenbrödlerisches Verhalten und Verfolgung eigener Interessen zum Ziel führt, sondern nur solidarisches Handeln, das notwendig ist, ein so großes Wasserfahrzeug, wie ein Segelschiff zu beherrschen und mit den Schiffsführern sicher von einem Hafen zum nächsten Ziel zu bringen. Auch die leibliche Versorgung der Mannschaft kann nur klappen, wenn die jeweilige Backschaft kurzfristig lernt, sich im Interesse der Gemeinschaft zu verhalten und ihren Aufgaben nachzugehen.

Erfolge oder Mißerfolge zeigen sich so intensiv wie in sonst kaum einer Lebenssituation, wenn, z.B. zum wiederholten Male darauf hingewiesen wurde, daß vor dem Auslaufen die Seeventile zu schließen sind, dies ignoriert wird, und die zuständigen Dienste dann über Stunden damit beschäftigt sind, das Innenleben des Schiffes zu lenzen und zu trocknen.

Die auf dem Schiff vorgegebene unausweichliche räumliche Nähe führt zwangsläufig zu intrapersoneller Konfliktverdichtung und zur Konfrontation der Gruppenteilnehmer untereinander.

Hieraus ergibt sich für die allabendlichen obligatorischen Gruppengespräche ausreichender Gesprächsstoff, um bei durchweg allen Teilnehmern an den Ursprung ihrer Verhaltensprobleme vorzudringen und Lösungsstrategien vorzubereiten, die dann im weiteren Verlaufe der Gruppengespräche in BERLIN vertieft werden können.

Bestandteil des Konzeptes ist eine Auswertung der gemachten Erfahrungen und die Besprechung weiterer Perspektiven am letzten Abend der Reise.

Anhand von Auszügen aus Einzelfallstudien soll nachfolgend versucht werden, die Entwicklungen der Perspektiven und ihre Umsetzung aufzuzeigen (Die Namen der Teilnehmer wurden geändert):

Fallstudien:

Peter verfügte über eine abgeschlossene Berufsausbildung im Metallbereich. Sein bisheriges Leben war durch äußerst schwierige Familienverhältnisse gekennzeichnet, die ihren individuellen Ausdruck in seiner Rauschmittelabhängigkeit fanden. Nach eigenen Angaben war er seit längerer Zeit "clean". Er machte an Bord die Erfahrung, daß er durch sein kameradschaftliches Wesen und seinen hohen Grad an Zuverlässigkeit bei allen Gruppenmitgliedern beliebt war und um Rat gefragt wurde - er fühlte sich auf dem Schiff gebraucht. Dieses Erlebnis wiederum hatte unmittelbare Auswirkungen auf sein Selbstwertgefühl, das es ihm ermöglichte, die Fahrt auch ohne den Genuß "harter" Drogen durchzustehen. Da er bei den Gruppengesprächen versuchte, das Thema Drogenabhängigkeit für sich auszuklammern, gelang es ihm jedoch nicht, diesen Aspekt hinreichend zu bearbeiten, was später in BERLIN zu einem Rückfall führte, obgleich er sich unmittelbar nach dem Törn einen Arbeitsplatz suchte und diesen auch ausfüllte. Erst im weiteren Gruppenverlauf gelang seine Vermittlung in eine Drogen-Langzeittherapie.

Thomas, der in BERLIN einer Rockergruppe angehörte, spielte zunächst an Bord den exzentrischen Sonderling, der nur schwer für gemeinsame Arbeiten zu motivieren war und in einer konkreten Gefahrensituation sogar seinen Dienst, die Schwimmwestenausgabe, verweigerte. Dies hatte zur Folge, daß er wegen seines Fehlverhaltens von der gesamten Gruppe getadelt und aufgefordert wurde, als "Sicherheitsrisiko" das Schiff zu verlassen und die Reise abzubrechen. In einer dramatischen Gruppensitzung legte er seine Problematik vor den anderen offen und bat, die Reise fortsetzen zu dürfen. In der folgenden Zeit gelang es ihm mit Gruppenunterstützung, sein antisoziales Verhalten abzulegen und konstruktiv in der Gruppe mitzuarbeiten. Seine beruflichen Pläne, als Fleischabträger beim Großmarkt zu arbeiten, scheiterten kurz nach der Reise, jedoch gelang es ihm, unterstützt durch den Gruppenprozeß, eine andere Arbeitsstelle zu finden, die er bis zum Ende der Zusammenarbeit beibehielt.

Gerd, der wegen eines Vergewaltigungsdelikts verurteilt worden war, nahm zum zweiten Mal an einem Segeltörn teil. Er idealisierte die erste Gruppe in Hinblick auf die bei dieser Reise gemachten Erfahrungen. Für ihn war wichtig zu erleben, daß ein positives Erlebnis nicht beliebig muliplizierbar ist. Er fand sich zunächst nur schwer in die Gruppe ein, da ihm seine Enttäuschung im Wege stand. Als diese jedoch im Gruppengespräch bearbeitet wurde, gelang es ihm, seine neue Position in dieser Gruppe zu finden und seine Kenntnisse im segeltechnischen Bereich, die er den anderen Teilnehmern voraus hatte, positiv in die Gruppe einzubringen. Dadurch wurde er "einer von uns" und übte wesentliche Funktionen im Gruppengeschehen aus. Für ihn stand zum Zeitpunkt des Reiseantritts ebenfalls sein beruflicher Werdegang in Frage. Unterstützt durch seine weitere Teilnahme an der Gruppe absolvierte er einen Malerlehrgang, den er erfolgreich abschloß. Wenig später fand er in diesem Beruf eine Festanstellung.

Tobias war unser "Moses", der Jüngste an Bord. Ohnehin wortkarg und in seiner emotionalen Ausdrucksfähigkeit stark gehemmt, war dies sein erstes intensives Gruppenerlebnis. Im strafrechtlichen Bereich war er trotz seines jugendlichen Alters wiederholt durch schwere Diebstähle aufgefallen. Mit Hilfe der Gruppe gelang es ihm, deutlich zu machen, daß auch er in der Lage war, trotz all seiner Schwierigkeiten einen positiven Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten, für die Gruppe einzustehen, als Backschafter für das leibliche Wohl Aller zu sorgen, und bei schwierigen Segelmanövern seinen ganzen körperlichen Einsatz zu erbringen. Seine Probleme wurden im Gruppengespräch nicht ausgeklammert, sondern vielmehr seinen deutlich werdenden Stärken gegenübergestellt. Dadurch gewann er erheblich an Selbstwertgefühl, begann nach dem Segeltörn eine Lehre als Betonbauer und wurde, soweit dies weiterverfolgt werden konnte, nicht wieder straffällig.

Bernd nahm als Proband einer anderen Bewährungshelferin an der Reise teil, die ihm als "Belohnung" für besonders gutes Verhalten während der Bewährungszeit angeboten worden war. Demzufolge fühlte er sich auch in unserer Gruppe als "besonders guter Proband". Er war überrascht und irritiert über die Anforderungen, die eine sozialpädagogische Gruppenarbeit an ihn stellte. Von allen Teilnehmern war er am wenigsten auf das Unternehmen vorbereitet und daher nicht bereit, seine Problematik offenzulegen. Als er dann in einem Dänischen Hafen ein Fahrrad entwendete und die gesamte Gruppe durch sein Verhalten in Mißkredit geriet, wurde er in einer abendlichen Gruppensitzung von den anderen Teilnehmern mit seinem Verhalten konfrontiert. Durch dieses Erlebnis stark belastet, verließ er noch in der selben Nacht das Schiff und fuhr mit der Bahn nach Berlin zurück. Wie später in Gesprächen klar wurde, hatte er für sich das Erlebnis dennoch äußerst positiv bewertet, da er erstmalig in dieser Form mit sich selbst konfrontiert worden war. Die Seifenblase des "guten Probanden" zerplatzte und eröffnete dabei die Möglichkeit einer realitätsangemessenen Zusammenarbeit mit seiner Bewährungshelferin.


Zusammenfassend

wird an diesen exemplarischen Fällen deutlich und bei jeder neuen Reise wieder erlebbar, daß der "Gruppenprozeß unter Segeln" bei allen Teilnehmern einschneidende Eindrücke hinterläßt.

Natürlich stellt sich bei den für die Reisen Verantwortlichen die Frage, ob der erhebliche emotionale Aufwand von Seiten der Gruppenleiter und Schiffsführer durch ein entsprechendes Ergebnis aufgewogen wird. Für uns ergibt sich eine Antwort aus den vielen Einzelfallstudien, die einer genaueren wissenschaftlichen Aufarbeitung bedürfen würden, so, daß durch diese Form der sozialtherapeutisch orientierten Erlebnispädagogik eine Möglichkeit des praktischen Lernens und der Selbsterfahrung besteht, die es ermöglicht, Sozialisationsdefekte offenzulegen und an deren Reduzierung zu arbeiten.

Die Gruppe nach dem Törn

Nach dem großen gemeinsamen Erlebnis tritt der Alltag wieder ein. Die ersten Gruppensitzungen nach der Reise sind von dem Austausch der Eindrücke der Reiseteilnehmer untereinander und dem stolzen Berichten des "Insiderwissens" an die Daheimgebliebenen geprägt.

Es tritt alsbald ein gewisser Ausleseprozeß dahingehend ein, daß sich zeigt, ob diejenigen Probanden, die aus unterschiedlichen Gründen nicht an der Fahrt teilgenommen haben, in die Kerngruppe der Reiseteilnehmer zu dauerhaften Mitgliedern integriert werden können.

Ein zweiter wichtiger Abschnitt in der einjährigen Existenz der Gruppe hat eingesetzt.

Diesen Prozeß veranschaulicht die Abb.5:

(Abb.5: Teilnahmehäufigkeit im Monatsdurchschnitt SozPäd Segelgruppe 86/87)

Das Beispiel aus dem Jahrgang 86/87 ist nach den gewonnenen Erkenntnissen auf alle bisher durchgeführten Gruppendurchgänge übertragbar. Wie in der Graphik deutlich sichtbar wird, entscheidet sich nach der Fahrt im Juni (JuniTörn), wer weiterhin zur Gruppe gehört und voraussichtlich auch bis zum Ende durchhalten wird.

Eine weitere Umstellung für alle Teilnehmer besteht darin, daß mit Ausnahme der Situation wenn z.B. aus unterwegs gedrehtem Filmmaterial eine Dokumentation erstellt wird, der Handlungs- und Erlebnisaspekt nicht mehr gegeben ist und das themen- und probandenzentrierte Gespräch die Sitzungen dominiert.

Gezielt arbeiten die Gruppenleiter nun mit den Probanden daran, die auf dem Schiff erarbeiteten und formulierten Ziele in realisierbaren Schritten anzugehen und die Daheimgebliebenen in diesen Prozeß einzubeziehen und mit diesen gemeinsam ebenfalls Zielvorgaben zu formulieren.

Die verbleibende Zeit bis zum Abschied und zur Beendigung der Gruppe ist thematisch nicht weniger interessant, da es gilt, viele Alltagsprobleme zu bewältigen und Erfolge zu stabilisieren, um dem Rückfall vorzubeugen.

Der Abschied

Rasch vergeht die Zeit, bis das vorgesehene Ende des Gruppendurchganges in Sicht kommt. Zuvor wird noch einmal rechtzeitig eine Zwischenbilanz gezogen und festgelegt, welcher Teilnehmer welche Themenbereiche für sich in der verbleibenden Zeit noch klären will.

Das Gruppenende wird nicht statisch nach Zeitablauf bestimmt, sondern unter Beteiligung der Probanden nach dem jeweiligen dynamischen Stand der Gruppe. Daher kann es zum Ende hin leichte Zeitverschiebungen geben, wenn jeder Teilnehmer für sich plötzlich entdeckt, wieviel Fragen noch offen bleiben und wie wenig Zeit bis zum Ende verbleibt.

Für die Gruppenleiter besteht hier die Gefahr, das Gruppenende zu überziehen und eine "Endlosgruppe" zu installieren, die sie selbst dann nicht mehr loslassen können. Es gehört einiges Geschick und gruppendynamische Erfahrung dazu, sich an dieser Stelle nicht verleiten zu lassen und ein zufriedenstellendes Ende der Zusammenarbeit zu ermöglichen.

Die letzten beiden Sitzungen gehören der schriftlichen Auswertung der Ergebnisse für den Einzelnen mit Hilfe von Wandzeitungen und der gesprächsweisen Abrundung.

Ein Abschiedsfest der gesamten Gruppe, zu dem auch ehemalige Teilnehmer und die Schiffsführer eingeladen werden, beendet den Durchgang dann auch formal.

Soweit dies vom Strafrahmen und der verbleibenden Bewährungszeit möglich ist, wird bei dem jeweilig zuständigen Jugendrichter eine Verkürzung der Bewährungszeit zum Gruppenende angeregt; wo dies aus formalen Gründen nicht erfolgen kann, werden die Teilnehmer im Einzelgespräch weiterbetreut.


Das Experiment: Die Schiffbaugruppe

Eine Gefahr erlebnispädagogisch orientierter Formen der Gruppenarbeit besteht für die Gruppenleiter darin, das Interesse der Öffentlichen Verwaltung für Sonderprojekte mit Randgruppenjugendlichen und Heranwachsenden zu überschätzen.

Dies mußte der Autor in den Jahren 1982/83 erleben, als aus der ersten Gruppe, die einen Tarn auf der SY "TU WAS" segelte, der Wunsch entstand, auch in Berlin ein Schiff zu haben, auf dem man segeln und zusammen sein könnte. Ein altes, renovierungsbedürftiges Holzschiff der "30 qm Nationalen Kreuzerklasse" war schnell bei einem Segelclub gefunden, der den Rumpf mit Mast und Besegelung billig abgab. Auch eine nicht mehr benötigte Straßenbahnhalle in Berlin-Tegel fand ein besonders aufgewecktes Gruppenmitglied für die erforderlichen Bauarbeiten, und mit Hilfe der Technischen Einsatzbereitschaft der BERLINER POLIZEI wurde das Schiff dorthin transportiert.

Die ersten Arbeiten, die die Probanden im Wechseldienst an den Wochenenden mit Hilfe von zur Ableistung von Freizeitarbeiten verurteilten Jugendlichen und den Gruppenleitern leisteten zeigte, daß der Transport des halbfertigen Schiffes in eine andere Halle verursachte so erhebliche neue Schäden an dem Rumpf, daß sich bei den Teilnehmern erhebliche Frustrationen breitmachten, die kaum noch zu bewältigen waren. Als dann nach wenigen Monaten, die damit vergingen, die Schäden zu reparieren und Werkzeugdiebstähle zu verhindern, die Gruppe mit dem Schiff erneut der Halle verwiesen wurde, zerbrach die Motivation der Teilnehmer endgültig.

Auch die damaligen professionellen Mitarbeiter des Projektes waren diesen Frustrationen und den Auseinandersetzungen mit der Öffentlichen Verwaltung nicht mehr gewachsen und zogen sich aus der Gruppe zurück, die schließlich nur noch vom Verfasser repräsentiert wurde.

Dieses Experiment war gescheitert, obgleich bei ausreichender Förderung und Unterstützung des Vorhabens durch die zuständigen Verwaltungsdienststellen durchaus eine realistische Chance bestanden hätte, ein positives Lernfeld für Bewährungshilfeprobanden dauerhaft einzurichten.

Es gab während dieser Zeit gleichwohl bemerkenswert viele positive Eindrücke für alle Beteiligten. So transportierten unsere jugendlichen Straffälligen den Schiffsrumpf gemeinsam mit jungen Beamten der Technischen Einsatzbereitschaft der Polizei, und lernten die Institution POLIZEI einmal aus einer ganz anderen und ungewohnten Perspektive kennen. Auch angesprochene kleine Handwerksbetriebe zeigten sich erstaunlich hilfsbereit und spendeten uneigennützig Material und Werkzeuge oder halfen beim Transport schwerer Teile und Ausrüstungsgegenstände.

Dennoch muß hieraus die realistische Schlußfolgerung gezogen werden, daß derartige Vorhaben nur dann sinnvoll durchgeführt und beendet werden können, wenn auch der institutionelle Rahmen im weiteren Sinne bereit und geeignet ist, derartige Prokjekte zu tragen. Wenn dies, wie bei dem geschilderten Experiment nicht der Fall ist, kommt es zum Verschleiß der Gruppe und der Mitarbeiter durch formale Konflikte, der dann die zweifellos auch vorhandenen positiven Erlebnisse so überlagert, daß die Gruppe zerbricht.

So brauchte auch der Verfasser einen längeren Zeitraum, diese Erlebnisse zu verarbeiten und mit einem neuen Mitarbeiter das Konzept der Sozialpädagogischen Segelgruppenarbeit, wie sie in diesem Beitrag geschildert wurde, weiterzuführen. Supervision: Stütze der Langzeitkonzeption

Die geschilderte Form der Gruppenarbeit stößt, wie dargestellt, auf unterschiedliche Schwierigkeiten, insbesondere:

- individuelle Probleme der Probanden - Drogenkonsum - Strukturprobleme der jeweiligen Gruppe - Häufiges Wegbleiben einzelner Gruppenmitglieder - Autoritätskonflikte Proband-Bewährungshelfer - Vermittlungsprobleme zu den Jugendgerichten - Verschiedene institutionelle Probleme - Mitarbeiterprobleme

Soll es dennoch gelingen, trotz dieser Probleme über viele Jahre hinweg kontinuierlich Gruppenarbeit in der Jugend-Bewährungshilfe zu leisten, alternative und ergänzende Konzeptionen zu entwickeln, gemachte Erfahrungen zumindest teilweise theoretisch auszuwerten und die jeweilige Gruppe zu einem prognostisch günstigen Abschluß zu bringen, bedarf der Gruppenarbeiter und Bewährungshelfer der Praxisberatung. Hierbei ist wichtig hervorzuheben, daß dieser kontinuierliche Beratungsprozeß nicht nur der individuellen Stütze der Gruppenleiter zugute kommt, sondern durch multiplikative Wirkung der Praxisberatung das Gruppengeschehen sowohl bei den Interaktionstechniken, als auch bei der Analyse des jeweiligen Standes der Gruppe positiv beeinflußt wird.

Während der Zeit der themenzentrierten Gesprächsgruppe, ebenso wie während der Phase der ersten Kontakte mit dem Medium Segeln und der Entwicklung und Erprobung der Sozialpädagogischen Segelgruppen arbeitete der Verfasser mit einer Supervisorin der Sozialpädagogischen Fortbildungsstätte Haus Koserstraße BERLIN, Frau Bode zusammen.

An dieser Stelle sei Frau Bode ganz besonderer Dank dafür ausgesprochen, daß sie über viele Jahre hinweg die stets von den angesprochenen Schwierigkeiten, aber auch vielen Erfolgen geprägte Arbeit des Verfassers kritisch und konstruktiv durch Praxisberatung begleitete.

Es kann sicher gesagt werden, daß es ohne die methodische Unterstützung durch Supervisionsgespräche nicht möglich gewesen wäre, diese besondere Form der Gruppenarbeit über einen langen Zeitraum durchzuhalten und methodisch zum heutigen Stand zu entwickeln.

In verschiedenen Mitarbeiterzusammensetzungen erfolgten teilweise wöchentliche Gespräche mit Protokollvorlagen, Gespräche anhand von Videoaufzeichnungen oder konsultative Unterredungen zu bestimmten Problemstellungen.

Es wurde versucht, die gewonnenen Einsichten in praktisches Handeln in den Gruppen umzusetzen und institutionelle sowie weitere auftauchende Probleme zu bewältigen.

Auswertung und Schlußfolgerungen

In diesem Beitrag wurde dargestellt, daß die Projektgruppenarbeit "Sozialpädagogisches Segeln mit Probanden der Bewährungshilfe" gegenüber dem ausschließlich themenzentrierten Arbeitsansatz und der Einzelsprechstundenbetreuung klare Vorteile in der Zusammenarbeit mit Bewährungshilfeprobanden aufweist.

Mit dem diesem methodischen Vorgehen, welches sich an Erkenntnissen der Erlebnispädagogik orientiert, ist ein größerer Probandenkreis für den Bewährungshelfer erreichbar und positiv zu beeinflussen. Hieraus ergibt sich die Schlußfolgerung, daß der erlebnispädagogische Ansatz auch im Arbeitsbereich eines Jugendbewährungshelfers anwendbar und geeignet ist, nachhaltige Entwicklungsreize für die Probanden zu erzielen. In Ergänzung der klassischen Formen der Einzelfallhilfe stehen hier besonders effektive Betreuungsformen zur Verfügung, die unbedingt genutzt und ausgeweitet werden sollten. Die Erfahrungen des Verfassers, die dargestellt wurden, belegen insbesondere hinsichtlich der Einzelfallbeispiele, daß die nichtverbal vermittelten Eindrücke, verbunden mit der möglichst raschen Aufarbeitung im sozialtherapeutischen Gespräch auf den Probanden nachhaltiger wirken, als formal orientierte Arbeitsformen und daher im Lebensalltag eher verfügbar bleiben. Diese Erlebnisinhalte sind besonders geeignet, korrigierendes Lernen zu ermöglichen und zu stabilisieren. Die hier gemachten Erfahrungen ermutigen, nach dieser Arbeitsform weiter zu arbeiten und diese auszubauen.

Es kommt nicht selten vor, daß Probanden, deren Bewährungszeit lange abgelaufen ist, in den Sprechstunden erscheinen und noch immer von den Eindrücken einer Vollmondnacht auf See unter Segeln erfüllt sind. Fast nebenbei berichten sie dann, daß sie schon seit langer Zeit eine Arbeitsstelle haben, möglicherweise verheiratet sind und Kinder haben und "natürlich" mit dem Gericht "seit damals nie wieder zu tun hatten". Es gibt wohl keine Rückmeldung, die den Bewährungshelfer mehr erfreut, ihm zeigt, daß der eingeschlagene methodische Weg zum Erfolg führt und ihm daher auch hilft, momentane institutionelle Schwierigkeiten durchzustehen.


Die in diesem Beitrag wiedergegebenen Erfahrungen bleiben bewußt subjektiv , da es an einer geeigneten wissenschaftlichen Untersuchung mangelt, die im Sinne einer Therapieverlaufsstudie die Lebensschicksale der Probanden systematisch verfolgt, die mit der dargestellten Methode betreut wurden und die diese einer geeigneten Kontrollgruppe gegenüberstellt.

Der praktisch tätige Bewährungshelfer wäre mit einer derartigen, zeit- und arbeitsaufwendigen Untersuchung überfordert, da diese Aufgabe neben dem ohnehin erheblichen Arbeitspensum der Einzelbetreuungen und der Projektgruppenarbeit zu leisten wäre.

So bleibt abschließend der persönliche Eindruck des Autors, daß die beschriebene besondere Arbeitsform ihren Einsatz lohnt, neben den Mühen und Aufwendungen auch besonderen Spaß für Gruppenleiter und Probanden bringt und hilft, den delinquenten Rückfall zu verhindern.

Hans-Joachim Wendt

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