Sozialer Trainingskurs
"Schulden vermeiden und bewältigen"
vom 22. April bis 10. Juli 1998
- Projektbericht -
ein Projekt der Jugendgerichtshilfe des Bezirksamtes Berlin-Reinickendorf in Zusammenarbeit mit dem Bewährungshelfer bei der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport Hans-Joachim Wendt

1. Einführung in die Thematik: 
     "Über Geld spricht man nicht" - Wir wollen lernen, 
     dieses Tabu zu brechen:

"Schulden haben" ist in Zeiten wachsender Arbeitslosigkeit, gleichzeitig ansteigenden Lebenshaltungskosten, sowie rapide zunehmender Konsumverführung durch Medien und Werbung bei rasantem Abbau sozialer Leistungen ein immer drängender werdendes Problem für eine immer größer werdenden Zahl von Menschen.

Dennoch ist "Schulden haben" nach wie vor überwiegend tabubehaftet.

Immer mehr private Haushalte sind verschuldet und gelangen durch Überschuldung  in einen existenzbedrohenden Teufelskreis, aus dem es allein und ohne beratende, fachkundige Hilfe kaum ein Entrinnen gibt.

Ein weiteres bemerkenswertes Phänomen ist die Tatsache, daß der Einstieg in die Verschuldung heute bereits Jugendliche und Heranwachsende betrifft.
Banken locken Lehrlinge, Jugendliche und Schüler mit dem eigenen Girokonto, mögliche Überziehung werden dabei, obgleich dies offensichtlich rechtswidrig ist, selbstverständlich zulassen, und die Konsumindustrie wirbt massiv um die Gunst der zukünftigen, vermeintlich zahlungskräftigen Kunden.

Durch zunehmende, von der Wirtschaft werbungsgesteuerte Konsumbedürfnisse werden Jugendliche heute zu markenorientiertem teuren Konsumverhalten verleitet, welches nur zum geringen Teil durch eigenes Einkommen gedeckt ist.

Teilweise wird die so entstehende Finanzierungslücke durch kompensatorisches Elternverhalten (Wohlstandsverwahrlosung), andererseits durch die Suggestion des leicht verfügbaren Geldes mittels Kreditkarten, Girokonto und Kredit temporär überdeckt.

Bei straffällig gewordenen Menschen stellt sich das Schuldenproblem ungleich dramatischer dar als im bundesdeutschen Durchschnitt. Kommt es doch bei Straffälligen neben der üblichen Konsumentenverschuldung (wie Versandhausschulden, Telephonschulden , Mietschulden etc., Kredit) oft zu weiteren, in erheblichem Maße straftatbedingten Schuldverpflichtungen.
Als die typischen Zahlungsverpflichtungen sind hier insbesondere Anwalts- und Gerichtskosten, Schmerzensgelder und Schadensersatzforderungen von Straftatopfern und Versicherungen zu nennen.

2. Zur Vorgeschichte des hier vorgestellten Projekts:

Vor dem oben dargestellten Hintergrund ist es für den aufmerksam arbeitenden Bewährungshelfer unerläßlich, das Thema Geld und Schulden in zunehmenden Maße in die Arbeit einzubeziehen und in weiten Beratungsphasen so in den Vordergrund zu stellen, daß eine langfristigen Entschuldung des/der Probanden erreicht wird, um den Resozialisierungsprozeß auf eine tragfähige Basis zu stellen.

Angesichts dieser evidenten Problematik und angeregt durch ein im INTERNET vorgestelltes Softwareprogramm des Instituts für Heilpädagogik an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrecht-Universität Kiel "Schulden - Lernsoftware für Jugendliche und junge Erwachsene" kamen der beteiligte Jugendgerichtshelfer, Werner HANACK, sowie der für Berlin-Reinickendorf, "Märkisches Viertel" zuständige Verfasser, Hans-Joachim WENDT überein, im Rahmen eines Sozialen Trainingskurses erstmals Probandes der Bewährungshilfe in dieser Form an die sie zunehmend betreffende Problematik heranzuführen.

An dieser Stelle soll Prof. Dr. Jürgen Walter, sowie Dr. Bernd Arnold als Mitarbeiter der Universität Kiel ausdrücklich für ihre beratende Unterstützung, sowie die Bereitstellung einer zweiten Softwareversion ausdrücklich gedankt werden.

Der Fa. BÄR-Computersysteme für die Sprachheilarbeit Berlin sei Dank für die Bereitstellung von zwei Rechnerarbeitsplätzen, die zusätzlich vom Bezirksamt Reinickendorf von Berlin, Abt. Gesundheitswesen ergänzt wurde.

Es soll nicht versäumt werden, an dieser Stelle auf die reibungslos abgelaufene interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Fachdienststellen, der Uni Kiel und einer Privatfirma als Vorbild für künftige Projektarbeit hinzuweisen.

Unter dem Titel "Schulden vermeiden und bewältigen" wurde der vorgestellte Trainingskurs projektiert, konzipiert und durchgeführt.

Dank sei auch an dieser Stelle dem mitwirkenden Praktikanten der Alice-Salomon-Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik Berlin, Ekkehard WILL, der die Projektleiter bei der Organisation unterstützte und die Gruppenprotokolle führte.

Beginnend am 22. April 1998, wurde in insgesamt elf Sitzungen jeweils mittwochs zwischen 18.00 und 20. 00 Uhr gemeinsam an dem Thema "Schulden vermeiden und bewältigen" gearbeitet.
Als Tagungsort diente der Gruppenraum des Beratungszentrums "Am Nordgraben 1" Berlin-Reinickendorf, eben jenem Gebäude, in dem auch die Außensprechstunde des Jugend-Bewährungshelfers stattfindet.

Als Sitzanordnung wurde ein offener Stuhlkreis für die Teilnehmer gestaltet; zur Auflockerung standen zu den Gruppensitzungen jeweils Kekse, Obst und Getränke bereit.

Die thematische Visualisierung erfolgte mittels an den Wänden angebrachter Wandfahnen und eines Flipcharts.

Eigens zur visuellen Vermittlung der Ziele und Handlungsstrategien war geplant, an zwei Rechnerarbeitsplätzen die oben dargestellte Software mit in die Gruppenarbeit einzubeziehen.

Allerdings wurde lediglich in der ersten Gruppensitzung auf das Lernprogramm zurückgegriffen, da sich rasch herausstellte, daß die Schuldensituation der teilnehmenden Bewährungshilfe-Probanden eklatant in Zusammensetzung und Höhe von der in der Software angesprochenen Schüler-Klientel abwich.

Die Gruppe hatte sich daher schon in der zweiten Sitzung dafür entschieden, vornehmlich mit den eingeladenen Experten zum Thema ins Gespräch zu kommen und sich die Zeit für die konkrete Hilfestellung am eigenen Beispiel zu nehmen, um für jeden einzelnen Gruppenteilnehmer einen konkreten Schulden- und Entschuldungsplan zu erarbeiten.
Im Unterschied zu der für den Schulunterricht ausgerichteten Lernsoftware der Uni Kiel konnte dadurch insbesondere auf den Aspekt "Schulden als Straftatfolge" eingegangen werden.

3. Die Teilnehmer

Angeschrieben und zur aktiven Mitarbeit eingeladen wurden alle Jugendlichen, die im Rahmen einer Bewährung bzw. einer Betreuung mit dem Bewährungshelfer Herrn Wendt zusammenarbeiten.

Es erfolgten über ein Vorlaufphase von ca. zwei Monaten Vorgespräche im Rahmen der Einzelsprechstunde, in deren Verlauf die Probanden unter Berücksichtigung ihrer individuellen Schulden- und Verpflichtungssituation zur Teilnahme an der Gruppenarbeit motiviert wurden.
Darüber hinaus war jedem Eingeladenen freigestellt, Bekannte oder Freunde mitzubringen, sofern auch bei Ihnen Interesse am Thema besteht.

Dieses Setting folgt einer langen Tradition der hier durchgeführten Gruppenarbeit, die ihren Ursprung in der langjährigen Zusammenarbeit der Jugend-Bewährungshilfe mit dem Institut für Forensische Psychiatrie der Freien Universität Berlin findet und davon ausgeht, daß durch Teilnahme von (noch)Nicht-Probanden eine sozialpräventive Wirkung ausgeht, die zudem Einfluß auf soziale Rahmenbedingungen der Probanden nehmen kann.

Im Vorgespräch angesprochen wurden insgesamt 22 Probanden.

Davon sagten ihre Teilnahme 15 Probanden zu, 7 Probanden wollten sich "die Sache überlegen".

In wechselnder Beteiligung über die insgesamt 11 Gruppensitzungen nahmen dann tatsächlich 15 Probanden teil; davon zwei "Bezugspersonen", sowie ein "Gastproband" eines anderen Bewährungshelfers, sowie ganz regelmäßig der Freund eines Probanden, der mit diesem in einer betreuten Wohngemeinschaft lebt.

Von den insgesamt 15 Probanden nahmen 5 Probanden an allen 11 Gruppensitzungen teil; ein für diese Form der ambulanten Straffälligenhilfe und die bearbeitete, teilweise recht komplexe Problematik sehr konstante Teilnehmerzahl.

Es nahmen wie folgt teil:

1. Sitzung:   5 Teilnehmer
2. Sitzung:   9 Teilnehmer
3. Sitzung:   7 Teilnehmer
4. Sitzung:   5 Teilnehmer (Gastreferent: Gerichtsvollzieher)
5. Sitzung:   9 Teilnehmer (Gastreferent: Rechtsanwalt)
6. Sitzung:   5 Teilnehmer
7. Sitzung:   6 Teilnehmer (Gastreferent: Schuldenberater JuLaTeg)
8. Sitzung:   5 Teilnehmer (Gastreferent: H. Rödel Gustav-Radbruch-Stiftung)
9. Sitzung:   6 Teilnehmer
10. Sitzung: 5 Teilnehmer
11. Sitzung: 5 Teilnehmer (Abschlußsitzung und gemeinsames Essen) 
12. Sitzung: NN (Nachbereitungstreffen) 14. Oktober 98 geplant.

Die jeweils zu einer Gruppensitzung nicht erschienenen Teilnehmer wurden regelmäßig angeschrieben und zur nächsten Sitzung unter Hinweis auf das zu erwartende Thema wieder eingeladen.So ist deutlich darauf hinzuweisen, daß Gruppenarbeit in der Jugendbewährungshilfe stets unter besonderen Vorzeichen betrachtet werden muß.

So fehlt gerade dieser Klientel in hohem Maße Kontinuität und Vereinbarungsfähigkeit als Zusammenarbeitsmerkmal, so daß gerade durch Gruppenarbeit eine teilweise nicht oder nur sehr unvollständig vorhandenes Sozialisationsmerkmal abgefragt und vorausgesetzt wird.
Einerseits kann sicherlich nicht ausgeschlossen werden, daß das unterbreitete Gruppenangebot der Bewährungshilfe von den Jugendlichen als Teil der richterlichen Auflage empfunden wird, was nicht gerade akzeptanzerhöhend wirkt.
Andererseits steht außer Frage, daß sich ein Trainingskurs zum Thema Schulden nicht richterlich anordnen läßt, soll es gelingen, die Teilnehmer zur aktiven Bewältigung ihrer Situation zu bewegen.
Nicht unterschätzt werden darf aber auch die Komplexität der dargebotenen Schuldenthematik, die durch Vermittlung grundlegender zivilrechtlicher Kenntnisse ebenso begleitet wurde, wie durch Kompetenzübungen im Bereich von Schriftwechsel mit Gläubigern und Gläubigerverhandlungen.
Hierbei ist ferner zu berücksichtigen, daß von den Gruppenteilnehmern, die durchweg zum Personenkreis mit erheblichen schulischen Sozialisationsdefiziten gehören, erwartet wurde, daß sie, mit lediglich einer kurzen Pause, zwei Stunden lang konzentriert themenzentriert mitarbeiten mußten.
Unter Abwägung aller dargestellter Faktoren kann also bereits aus der für die angesprochene Klientel hohen Teilnahmekontinuität von einer gelungenen Veranstaltung gesprochen werden, die sich zudem durch ein hohes Maß an aktiver und inhaltlicher Mitarbeit der einzelnen Teilnehmer auszeichnete.
Trotz der sehr unterschiedlich hohen Schuldenstände bei den Einzelnen bestand die Gemeinsamkeit der Teilnehmer darin, daß das Schuldenproblem insgesamt für alle höchst aktuell war und in der abgefragten Prioritätenskala an oberster Stelle rangierte.
Die Last der Schulden wurde als ein-, wenn nicht sogar als das zur Zeit drängenste Problem empfunden.
Während nur zwei Teilnehmer aus der Gruppe bereits selbständig bzw. mit Unterstützung Lösungen verfolgt und ansatzweise Strategien der Regulierung entworfen hatten, sollte der Trainingskurs für die meisten der Anwesenden der erste Versuch überhaupt sein, sich mit ihren "Schuldenchaos" systematisch auseinanderzusetzen.

4. Ziele des Trainingskurses:

Gruppenarbeit zeichnet sich unter anderem dadurch aus, daß sie eine Lernform ist, die sehr viel Spaß machen kann.
Die Kommunikation zwischen den Teilnehmern einer Gruppe, die gemeinsame Zielbeschreibung ( es sind in der Regel positiv bestimmte Ziele wie in unserem Fall "Schulden vermeiden und bewältigen ) und schließlich die gemeinsame Verantwortung für das Gelingen der Gruppenarbeit sind Faktoren, die große Motivation erzeugen können.
In der Gruppenarbeit ist der Gruppenprozess ebenso wichtig wie die Vermittlung/ das Lernen von Inhalten. Beides, Inhalte und Gruppenprozess, stehen immer in enger Verbindung.

Methodisch angeleitete Gruppenprozesse ermöglichen ein weit besseres, weil emotionaleres Lernen.
Insofern kann Gruppenarbeit sogar besser und effektiver sein als die einzelfallbezogene Beratung.
Zunächst standen also folgende Trainingsziele im Vordergrund:

- erkennen der Zusammenhänge zwischen eigenem Verhalten und Schulden

- Realisierung der straftatbedingten eigenen Schuldensituation

- Vermeidungsstrategien während der laufenden Gruppenarbeit

- Bewältigung der eigenen Verschuldung durch Verhaltensänderung

- Erarbeitung persönlicher Entschuldungsstrategien

- Verbesserung der Einnahmesituation (Arbeit, Unterstützung, Rückzahlungen)

- Einführung in Gläubigerverhandlungen und Vergleichsabsprachen

- Schriftwechsel mit Gläubigern

- Entschuldung im überschaubaren Zeitraum

Als weitere, allgemeine Ziele eines Sozialen Trainingskurses ist die Verbesserung sozialer Kompetenz ebenso zu nennen, wie die Bereitschaft und Fähigkeit, eigene Probleme zu akzeptieren und diese konstruktiv mit Hilfe der Gruppe zu bewältigen.
 

5. Trainingsmethode

Es wurde die Methode des zeitlich begrenzten und mit 10, bzw. 11 Sitzungen, sowie einer Nachbereitung begrenzten Sozialen Trainingskurses im Sinne der Themenzentrierten Interaktion gewählt.
Zusätzliche, wesentliche Elemente waren die Hinzuziehung von fachkompetenten Gastreferenten, sowie die Einführung in neue Medien wie Computer, Software und Internet (SIS-Server des Arbeitsamtes www.arbeitsamt.de/SIS)

Verschuldung/ Überschuldung ist in vielen Fällen ein Produkt mehrerer, sich subsumierender Konflikte:
Arbeitslosigkeit, geringe schulische und berufliche Bildung, eigene Scheidung oder Scheidung der Eltern, Suchterkrankung oder ein Unfall sind nur einige der verbreitetsten Auslöser, die hier zu nennen wären.
Ein wesentliches Ziel des Trainingskurses sollte daher darin bestehen, Verschuldung/ Überschuldung als ein vielschichtige Problem zu reflektieren, welches in der Regel mit anderen Problemlagen und Konflikten verbunden ist.

Um diesen Zusammenhängen näherzukommen, war es sinnvoll, über die eigenen Verschuldungshintergründe bzw. die individuellen Überschuldungsauslöser nachzudenken.

Sozialpädagogisch orientierte Schuldenberatung will die Möglichkeiten wie auch die Grenzen der Schadenregulierung vermitteln. Dazu bedarf es allerdings einer Vielzahl von finanzieller, rechtlicher wie auch lebenspraktischer Beratung.
Aus diesem Grund, und um die vielen sehr schwierigen Sachfragen zu klären und zu beantworten, wurden einige sozialpädagogische und juristische Fachkräfte als Experten hinzugezogen:

- Gerichtsvollzieher
- Rechtsanwalt
- Schuldenberater
- Mitarbeiter der Umschuldungsstiftung

Auf diese Weise sollte den jugendlichen Teilnehmern nicht nur die Gelegenheit geboten werden, wichtige finanzielle und rechtliche Beratung aus erster Hand zu bekommen. Gleichzeitig konnten die Teilnehmer des Trainingskurses Berliner Institutionen kennenlernen, die ihre Hilfe bei Verschuldung anbieten.
Das vorrangiges Ziel des Trainingskurses galt schließlich der Steigerung der Handlungskompetenz jedes einzelnen Teilnehmers zur selbstständigen Bewältigung
seines Schuldenproblems. Denn eine Entschuldung zu meistern heißt immer und in erster Linie, selber aktiv zu werden.
Dazu gehört sowohl die praktische Fähigkeit der Budjetplanung und das Herstellen einer planvollen Haushaltsführung als auch das Erschließen von finanziellen Ressourcen und Einsparmöglichkeiten.
Erst wenn diese Schritte getan wurden, ist es den Schuldenberatungsstellen möglich, konkrete Hilfestellung zu leisten, um gemeinsam mit dem Schuldner individuelle Lösungsstrategien zu entwickeln.
 

6. Der Gruppenverlauf:

Die ersten beiden Sitzungen waren dem Einstieg bzw. den Fragen vorbehalten:

Wo steht die Gruppe ? 
Welche Erwartungen verbindet die Gruppe mit dem Trainingskurs ?

In einer Art "brain-storming" und um den unterschiedlichen Erfahrungen der einzelnen Teilnehmer zu diesem Thema bzw. den eventuell gemeinsamen Erwartungen näherzukommen, wurde zu Beginn jedem Teilnehmer die Gelegenheit gegeben, sich anhand mehrerer vorbereiteter Überschriften vorzustellen.

Geld bedeutet für mich........ ?

Wer hat welche Schulden ?

Was gibt es ansonsten für Schulden ?

Welches ist mein größtes Problem ?

Welche Erwartungen habe ich an den Trainingskurs ?

Sprüche zum Thema Geld, die mir einfallen...

Die sechs Wandfahnen mit jeweils einer der deutlich sichtbaren Fragen als Überschrift wurden gemeinsam von der Gruppe ausgefüllt. Die Flyer an der Wand dienten als willkommener Blickfang und sollten auch in den nächsten Wochen immer wieder aufgehängt werden, um sie bei Bedarf durch neu Hinzugekommene zu ergänzen.
Die sechs Fragen betonen sehr unterschiedliche Aspekte zum Thema Geld und Schulden. Jedem der Teilnehmer war überlassen, für sich selbst zu bestimmen, wo er seinen Schwerpunkt setzt, d.h. welchen ersten Schritt er machen möchte, um sich jetzt der Gruppe vorzustellen und/oder seine Schuldenproblematik nur anzudeuten oder sofort offenzulegen.
Nach und nach ließen sich die Teilnehmer auf diese Art des Einstieges ein.
Obgleich die Erwartungen in Richtung "Schuldenregulierung" ausdrücklich betont worden waren, fiel es den meisten Teilnehmern anfänglich überaus schwer, über ihre Schulden in der Weise und vor einer Gruppe offen zu reden.
Mit zunehmender Vertrautheit in der Gruppe und bei expliziter Belobigung der Offenheit der Darstellung der eigenen Situation gelang es schließlich allen kontinuierlich anwesenden Probanden, ihre individuelle Verschuldung, deren Ursache und Problematik ausführlich darzustellen und mit Hilfe der Gruppe Lösungsstrategien zu entwickeln.
Natürlich gab es gravierende Unterschiede hinsichtlich der Schuldenhöhe und für deren Zustandekommen, doch wesentlich war in dieser Phase des Kennenlernens, daß sich die Teilnehmer als Gruppe verstehen, in der in den nächsten Wochen offen miteinander geredet werden soll und kann.
Aufmerksam hörten die Teilnehmer einander zu. Es tat sichtlich gut, von den anderen zu hören, daß ihnen das vorgestellte Problem bestens bekannt war.
Um die Erwartungen der Gruppe schließlich für alle sichtbar zu machen, wurde auf spielerische Weise eine Gewichtung hergestellt. Jeder der Teilnehmer konnte in Form von Punkten einen oder mehrere der gesammelten Aspekte des Trainingskurses optisch hervorheben. Die Punkte wurden auf den Papierfahnen hinter das entsprechende Stichwort geklebt.
Diese erste Gewichtung gab zu erkennen, daß die Erwartungen der Gruppe sehr konkreter Art sind.
m Vordergrund stand das Thema "Schuldentilgung" bzw. die Frage
" Wie schaffe ich es mit Hilfe dieses Trainingskurses, meine Schulden tatsächlich zu
tilgen ?"
Mit anderen Worten: Weniger die allgemeinen Problemzusammenhänge von Verschuldung/ Überschuldung standen im Vordergrund des Interesses, sondern vielmehr die lebenspraktischen Aspekte ihrer Bewältigung.
Als erste gemeinsam getragene Vereinbarung wurde abgesprochen, daß sich die Gruppe darauf verständigt, den Vorschlag des Gruppenleiters anzunehmen, und im Verlauf des Trainingskurses keine weiteren Schulden zu machen.
Der Sinn und Zweck dieser Vereinbarung war nicht für alle Teilnehmer einleuchtend. Es wurde deutlich, daß das Selbstverständnis der Gruppe,- nämlich eine aktive Mitwirkung und Offenheit bei allen Teilnehmern anzuregen, zu diesem frühen Zeitpunkt noch weiterer Klärung bedurfte.
 

7. Einige ausgewählte Schwerpunkte des Trainingskurses

Nachdem sich die Gruppe innerhalb der beiden ersten Sitzungen "gefunden" hatte, konnte die weitere Gestaltung des Trainingskurses besprochen werden.
Gemeinsam wurde der "Fahrplan" der kommenden Sitzungen erstellt. Neben der Begegnung und Diskussion mit einigen Experten war Hauptziel des Trainingskurses, die Handlungskompetenz der einzelnen Teilnehmer zu fördern.
Zentrale Übung sollte die Herstellung des persönlichen Haushaltsplanes samt Auflistung aller Schulden sein. Damit wurde gleichzeitig erwartet, daß die Schuldengeschichte so gut es geht rekonstruiert werden mußte.
Jedem der Teilnehmer war freigestellt, seinen vorbereiteten Haushaltsplan der
Gruppe vorzustellen. Anhand dieser konkreten Beispielen versprachen wir uns gegenseitige Hilfe. Hilfe zur Selbsthilfe, indem wir gemeinsam wieder und wieder die einzelnen Schritte einüben, die es zu beachten gibt.

7.1. Haushaltsplanübersicht und Schuldenregulierung

Einer der ersten konkreten Handlungsschritte innerhalb des Trainingskurses bestand darin, daß jeder Teilnehmer einen Aktenordner erhielt, um zusammengetragen Informationen, seinen persönlichen Haushaltsplan, vor allem aber alle seine entsprechenden Papiere sorgfältig und überschaubar zu ordnen und so einen Überblick über alle relevanten Papiere, Anspruchschreiben, Mahnungen, Mahnbescheide, Vollstreckungen und Vergleiche zu bekommen.
Schuldenregulierung scheitert in vielen Fällen, da der Betroffene irgendwann den Überblick verloren hat und nicht mehr in der Lage ist, den Verlauf der Schulden so zu rekonstruieren, um die Rechtmäßigkeit der Geldforderungen zu belegen.

7.2. Darstellung der gesamten Einnahmen und Ausgaben

Zunächst wurde den Teilnehmern empfohlen, einen Haushaltsplan zu erstellen, d.h. sowohl die regelmäßigen Einnahmen, als auch alle regelmäßigen und unregelmäßigen Ausgaben aufzulisten.
Diese Haushaltsplanerstellung erfolgte teils gemeinsam in der Gruppe anläßlich der Darstellung des eigenen Verschuldungsfalles, teils als "Hausaufgabe".
Anhand der durch den Haushaltsplan gewonnenen Übersicht wurde rasch im Einzelfall deutlich, welche Restmittel monatlich zur Schuldenregulierung verfügbar blieben.

7.3. Übersicht des aktuellen Schuldenstandes und 
       Gläubigeraufstellung:

Im zweiten Schritt wurden alle ausstehenden Schulden und ihr Enstehungszeitraum aufgeführt und addiert. Dabei sollte unterschieden werden zwischen Schulden, die gegenwärtig abgezahlt werden bzw. angefangen wurden abzuzahlen, und solchen, die noch offen waren.
Gelingt es nicht, alle Gläubiger ausfindig zu machen, stehen zwei Hilfsmittel zur Verfügung. Zum einen die sogenannte "Selbstauskunft", die bei der Schufa gegen eine Gebühr von 15,- DM eingeholt werden kann. Oder man schaut ins "zentrale Schuldenverzeichnis", welches beim Amtsgericht Schöneberg eingesehen werden kann.
Schon hier zeigte sich, daß es alles andere als leicht ist, wirklich alle Angaben im Blick zu haben. Ist auch nichts vergessen worden ? Auch wir als Gruppe waren geneigt, angesichts der vielen Zahlungsverpflichtungen der Teilnehmer schnell etwas zu übersehen und somit nicht mit zu berücksichtigen. Also überprüfen wir noch einmal.

Was folgt als nächster wichtiger Schritt ? Sollte jetzt schon ein Vergleich mit den Gläubigern gesucht werden ? Die allgemeine Zurückhaltung bei der Beantwortung dieser Frage bzw. die wenigen Vorschläge aus der Gruppe zeigen, daß wir jetzt Neuland betreten.
 

7.4. Erschließung finanzieller Ressourcen:

Ideal ist es, zunächst die Einnahmen zu verbessern, was natürlich eine Arbeit voraussetzt.
Ein Einkommen durch Arbeit bzw. Ausbildung ist darüber hinaus Grundlage der Schuldenregulierung, die von der Gustav Radbruch Stiftung für Jugendliche unter Bewährung angeboten werden.
An dieser Stelle erwies es sich als überaus wichtig, mit den Probanden schulische und berufliche Perspektiven zu erörtern und gemeinsam zu überlegen, welche Schritte notwendig und sinnvoll sein könnten, um die schulische, bzw. berufliche Perspektive zu verbessern. Wichtig war in diesem Zusammenhang der Hinweis darauf, die Gläubiger anzuschreiben, um ihnen die eigene Situation zu erläutern.
Im Falle von Arbeitslosigkeit oder wenn die Sozialhilfe die einzige Einnahmequelle ist, sollte auf zinsfreie Stundung der Forderung hingewirkt werden.
Sowohl der Gerichtsvollzieher, als auch der Rechtsanwalt wiesen darauf hin, daß es gesetzlich verboten ist, Sozialhilfemittel zur Schuldentilgung zu verwenden..
 

7.4. Prüfung der Gläubigerforderungen auf deren 
       Rechtmäßigkeit:

Als wichtig erwies es sich, zu klären, welche Schulden anzuerkennen sind und welche nicht. Oft bedarf es rechtlicher Kenntnisse, wenn Forderungen, insbesondere Nebenforderungen, wie Gebühren, Zinsen, Auslagen, pp möglicherweise jeder Grundlage entbehren, da sie sittenwidrig oder verjährt sind. Vor allem was die Zinsen angeht sollte deren Rechtmäßigkeit genau und sachkundig überprüft werden.
 

7.5. Verhandlungen

Erst nachdem all diese Schritte/ Klärungen unternommen wurden, sollte den Gläubigern, deren Forderungen dann auch tatsächlich anerkannt werden, ein realisierbarer Vergleich angeboten werden.
Wird ein solcher Vergleich einschließlich eines Ratenzahlungsplanes akzeptiert, ist es ratsam, dabei nicht all zu kleine Ratenbeträge vorzuschlagen, um den Gläubiger beim Aushandeln nicht mit zu langen Laufzeiten zu konfrontieren. Sind höhere Ratenzahlungen nicht möglich, empfiehlt sich eine Begründung wie z.B. der Hinweis auf Sozialhilfe.
 

7.6. Einspruch

Bei den Schulden, bezüglich deren Rechtmäßigkeit ernsthafte Zweifel bestehen, sollte Einspruch erhoben werden, im gegebenen Fall auch der Bewährungshelfer und/oder auch ein Rechtsanwalt um Hilfe gebeten werden.
Nahezu alle Teilnehmer der Gruppe nutzten die Gelegenheit, sich an einem der 11 Termine genügend Zeit zu nehmen und der Gruppe die Entwicklung und Gründe ihrer Schulden bzw. ihre gegenwärtigen Haushaltsplanung detailliert und wenn es erforderlich schien bis auf den letzten Pfennig vorzustellen. 
Mit großer Offenheit wurden einzelne strittige Punkte diskutiert und um Lösungen gerungen.
 

8. Die Experten:

Das vorrangige Ziel, ausgesuchte Experten in die Gruppe einzuladen, lag vor allem in der einmaligen Möglichkeit, auf diesem Wege informative, kostenlose rechtliche und finanzielle Beratung aus erster Hand zu bekommen.
Schuldenregulierung bedarf wie gesagt einer Vielzahl von Sachkenntnissen, die auf diesem Wege der Gruppe zugänglich gemacht wurden.
Doch ein wesentlicher und nicht zu unterschätzender Gewinn sollte sich auch durch die menschliche Begegnung mit den Experten an sich ergeben. Zum einen sollte auf diese Weise deutlich gemacht werden, daß es sehr viele Hilfsangebote gibt, die man für sich nutzen kann.
Zum anderen existieren bei vielen Schuldnern, insbesondere bei unseren Bewährungshilfe-Probanden neben Ratlosigkeit sehr hohe Schwellenängste, die durch die ungezwungene Begegnung in der Gruppe deutlich vermindert werden konnten.
Der Trainingskurs konnte daher die Möglichkeit schaffen, solche Schwellenängste gegenüber staatlichen und unabhängigen Institutionen abzubauen, indem wir gemeinsam und in relativ zwangloser Atmosphäre mit Vertretern der verschiedenen Institutionen ins Gespräch kamen. Jedem Teilnehmer blieb es freigestellt, sich mit Fragen zu beteiligen oder aktiv zuzuhören.
Um sich innerlich und inhaltlich auf den Gast einzustimmen und zugleich jedem der Teilnehmer die Gelegenheit zu geben, alle seine persönlichen Frage zu stellen, nahm sich die Gruppe vor jedem Treffen mit einem der Experten jeweils eine halbe Stunde Zeit.
In dieser halbe Stunde wurden Fragen gesammelt, gegebenenfalls gebündelt und vorbesprochen und gut sichtbar an eine Tafel geschrieben.
 

8.1. Der Gerichtsvollzieher

Die erste Sitzung sollte beispielhaft sein für bestehende Berührungsangst und daraus resultierender Vorurteile. Angekündigt war Herr N., der als Gerichtsvollzieher im Bezirk Berlin-Wedding seit über 25 Jahren arbeitet.
Zu unserer aller Überraschung konnten wir feststellen, daß Herr N. bzw. seine täglich Arbeit nicht viel mit dem zu tun hat, was wir uns unter der Tätigkeit eines Gerichtsvollziehers vorgestellt hatten. Herr N. korrigierte das gängige Bild des herzlosen Geldeintreibers, der sich holt, was zu holen ist.
Herr N. schilderte eine ganz andere Praxis und machte uns auch seine persönliche Betroffenheit angesichts der zunehmenden Notlagen der von ihm aufgesuchten Schuldner deutlich und nannte uns andererseits auch als seine Hauptauftraggeber die bekannten Versandhäuser, in letzter Zeit aber auch zunehmend die Mobilfunkunternehmen, die mit schwer durchschaubaren Verträgen finanzielle Abhängigkeiten und Überschuldung fördern. Zudem schilderte er uns, daß er im Laufe seines Berufsleben den Schuldner und ihren Sorgen und Nöten sehr nahe gekommen sei und diese oft auch berate, wie sie der "Schuldenfalle" entrinnen könnten.
In der folgenden Nachbesprechung zeigten sich die Probanden im hohen Maße beeindruckt von der menschlichen Begegnung mit dem Vollstreckungsbeamten, die sie in dieser Form nicht erwartet hatten.
 

8.2. Der Rechtsanwalt

Für einige wichtige Rechtsfragen stand uns Herr Rechtsanwalt H. zur Verfügung, der sowohl der Jugendgerichtshilfe, als auch dem Verfasser aus langjähriger Arbeit im Betreuungsbezirk bekannt war. 
Insbesondere die Frage des sinnvollen Umgangs mit einem Mahnbescheid sollte nach der Sitzung mit dem Gerichtsvollzieher in einigen wichtigen Punkten erneut aufgegriffen und ergänzt werden.
Hier spielte die Frage der Anerkennung von Haupt- und Nebenforderung, sowie der Gerichts- und Anwaltskosten eine wichtige Rolle.
Alle Nebenkosten und deren Berechtigung sind genauestes auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen.
Weitere wichtige Fragen und Bereiche, auf die Herr H. explizit einging, waren der richtige und mögliche Umgang mit Kaufverträgen.
Hier spielte insbesondere der Bereich der Ratenkaufverträge und die Haustürgeschäfte und deren Widerrufsmöglichkeit eine entscheidende Rolle. Auch auf die bereits oben erwähnten, zunehmenden Mobilfunkverträge und deren Bindungsfristen ging unser Experte ausführlich ein.

Weitere behandelte Themen waren:

....die Frage, wann ein Anwalt sinnvollerweise einzuschalten ist und wann nicht.

....was es zu beachten gibt, wenn Vergleiche mit den Gläubigern hergestellt werden sollen.

.... was ein Pflichtverteidiger ist,

.....und welche Chancen und Möglichkeiten das private Konkursgesetz ab dem 01.01.99
eröffnet.

Auch hier hatten wir als Gruppenleiter den Eindruck, daß die Probanden durch die persönliche Begegnung mit dem Juristen Vorurteile und Schwellenängste abbauen konnten, aber auch fachkundigen Rat und Hinweise für das Verhalten im Einzelfall, insbesondere im Bereich des Vertragsrechts erhalten haben.
 

8.3. Der Schuldenberater "JULATEG"

Herr N., Mitarbeiter von Julateg e.V, berichtete uns, wie eine seriöse Schuldenberatungsstelle im Unterschied zu den vielen Firmen arbeitet, die sich die wachsende Schuldenproblematik auf unseriöse Art und Weise zu Nutzen machen.
Julateg. e.V. wie andere seriöse Schuldenberatungsstellen sehe ihre Aufgabe darin, den Schuldner zu befähigen, seine Probleme selbstständig zu bewältigen.
Dem Schuldner selber obliegt es, seine Papiere so gut es geht, möglichst systematisch zu ordnen, die Gläubiger anzuschreiben, eine Liste der Gesamtverschuldung zu erstellen, gerechtfertigte und nicht gerechtfertigte Schulden zu markieren und schließlich mit Hilfe der Beratung eine Strategie der Tilgung in Form von Raten, Stundung, Vergleich, festzulegen.
Seine Papiere zu ordnen heißt nicht, nur den jeweils letzten Stand der Schulden zu dokumentieren.
Hier zeigte es sich insbesondere, wie wichtig es war, den Teilnehmern einen Aktenordner, sowie eine überschaubare Struktur zur Ordnung ihrer Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Um eine sinnvolle Strategie für eine mögliche Gesamtentschuldung zu entwerfen, kann man so die gesamte Entwicklung der Verschuldung, aber auch deren Lösungsmöglichkeit vor Augen haben.
Wer im Laufe der Jahre seine Papiere verloren, bzw. hat in den Papierkorb wandern lassen, also verdrängt hat, sollte alles daran setzen, die Namen der Gläubiger wieder zu erfahren.
Herr N. ging wie zuvor auch der Rechtsanwalt, ausführlich auf das neue Insolvenzgesetz ein, welches voraussichtlich zu Beginn des kommenden Jahres, d.h. ab dem 1. Januar 1999 auch den Privathaushalten das Instrumentarium der Restschuldenbegleichung eröffnet.
Beide warnten, insbesondere für unsere Klienten, denen nicht selten kein regelmäßiges Einkommen in Form von Erwerbsarbeit zur Verfügung steht, vor zu hohen Erwartungen, da unsere Probanden voraussichtlich kaum von dieser rechtlichen Neuregelung werden profitieren können.
 

8.4. Die Gustav-Radbruch-Stiftung

Schließlich sah der Trainingskurs ein Treffen mit Herrn R. von der Gustav-Radbruch-Stiftung vor.
Die Gustav Radbruch Stiftung ist vor etwa 20 Jahren gegründet worden, d.h. im Jahr 1978. Mit Hilfe der Deutschen Klassenlotterie wurde ein Stiftungskapital von 400 000 DM bereitgestellt. (Die Gustav Radbruch Stiftung arbeitet allerdings nur regional. Das bedeutet, daß derjenige, der die Unterstützung der Stiftung in Anspruch nehmen möchte, seinen Wohnsitz auch innerhalb der Landesgrenzen Berlins haben muß.)
Allerdings gibt es auch in anderen Bundesländern vergleichbare Stiftungen, so daß es sinnvoll ist, sich hier im Bedarfsfall sachkundig zu machen.
Den Umstand erkennend, daß Kriminalität oft als Folge von Verschuldung entsteht, kam bei den Begründern der Stiftung die Idee auf, diesen Teufelskreis Schulden- Kriminalität, Kriminalität- neue Schulden, präventiv zu durchbrechen, indem man als Stiftung straffällig gewordenen Menschen bei der Regelung ihrer Schulden hilft.
Jeder, der mit strafrechtlichen Sanktionen belegt worden ist und in diesem Zusammenhang von Verschuldung betroffen ist, kann die Hilfe der Stiftung in Anspruch nehmen.
Hierbei ist entweder eine Beratungseinrichtung der Straffälligen- und Bewährungshilfe, bzw. ein hauptamtlicher Bewährungshelfer zur Vermittlung und Verhandlung einzuschalten.
Herr R. informierte uns über die Arbeit und das Hilfeangebote der Stiftung, indem er an einem konkreten Beispiel das Umschuldungsverfahren vorstellte:
Der Betroffene geht zu seinem Bewährungshelfer und schildert ihm seine Schuldenproblematik. Wenn daran gedacht wird, an die Gustav Radbruch Stiftung heranzutreten, so sollte erst einmal ein Gesamt-Schuldenplan erstellt werden, um zu sehen ob die Schuldenhöhe und die Möglichkeiten, die die Stiftung bieten kann, überhaupt miteinander vereinbar sind. Hier ist wichtig, zu beachten, daß die Stiftung satzungsbedingt nur Schulden bis zu eine Obergrenze von 15 000 DM regulieren kann.

Wurde ein Gesamtüberblick geschaffen und mit den Gläubigern akzeptable Vergleichsvereinbarungen erzielt, die zu einer wesentlichen Schuldenreduzierung des Probanden führen, so kann die Gustav Radbruch Stiftung als Bürge auftreten, der für den Schuldner einen Kredit von der Landesbank Berlin in dieser Höhe verbürgt.
Hierbei wird die Restforderung unmittelbar an die Gläubiger ausgezahlt; der Proband trägt seine Restschuld in überschaubarer Zeit direkt an die LBB ab.
Sollte der Proband wider erwarten arbeitslos werden, muß eine entsprechende Neuvereinbarung mit der Bank getroffen werden, um neuen Zeitrahmen abzustecken.
 

9. Abschluß und Auswertung:

Die beiden letzten Sitzung waren einer gemeinsamen Auswertung und einem gemütlichem Abschluß vorbehalten.
In lockerer Atmosphäre begannen wir in der vorletzten Sitzung mit der Auswertung, zunächst eine erste Standortbestimmung zu treffen, bevor wir in der allerletzten Sitzung in eine abschließende Auswertung übergingen.
Jeder der Teilnehmer konnte sich äußern; sei es zum ursprünglich vereinbarten Vertrag, im Verlauf des Trainingskurses keine weiteren Schulden zu machen, oder sei es zum gegenwärtigen Schuldenstand und der Frage, ob schon etwas in die Wege geleitet wurde. Wieder andere berichteten von ihrer neuen Arbeit.
Insgesamt wurde deutlich, daß alle Teilnehmer, die regelmäßig an den Treffen teilgenommen hatten, einen vollständigen Überblick über ihre Situation gewonnen und auch schon erste konkrete Schritte zur Schuldenbewältigung unternommen hatten.
Sowohl bei der vorletzten Sitzung, die noch einmal intensiv in die Verschuldensproblematik eines Probanden führte, als auch in der letzten Sitzung, bei der ein gemeinsames Essen organisiert wurde, erfolgte eine Auswertung folgender Aspekte:

- Was hat uns an dem Trainingskurs gefallen?
- Was haben wir vermisst ?
- Haben sich die Erwartungen erfüllt ?

Obwohl gerade in der letzten Sitzung nicht mehr alle Teilnehmer anwesend sein konnten, wurde gerade die kontinuierliche Mitarbeit sehr positiv beurteilt. Die Kontinuität wie auch die Tatsache, daß wir in einer relativ kleinen Gruppe zusammen gearbeitet haben, schien den Teilnehmern als wichtige Voraussetzung für eine offenen und toleranten Umgang miteinander.

Als besonderer Aspekt der Gruppenarbeit setzte sich ein vertrautes Verhältnis zueinander durch, was es ermöglichte, anstehende Probleme und Verhandlungen auch außerhalb der Gruppe gemeinsam zu realisieren.

Einige dieser Beziehungen bestehen auch zum Berichtszeitpunkt fort.

Entsprechend positiv wurde auch der Vorschlag unterstützt, sich im Oktober erneut zu treffen. Dann wollen wir einander berichten, ob wir mit Hilfe der gewonnen Informationen in Sachen Schuldenregulierung voran gekommen sind.

Die Teilnehmer zeigten sich insbesondere überrascht über die Flut von Informationen, die uns durch die Experten nahegebracht worden waren.
Es wird sicherlich noch einiger Zeit und Aufarbeitung bedürfen, die Informationen zu ordnen und in sinnvolle Handlungsstrategien umzusetzen.
Während einige Probanden in der Lage waren, den Ausführungen und Zusammenhängen durchaus gedanklich zu folgen und diese möglicherweise in späteres Handeln umzusetzen, schien ein anderer Teil der Gruppe mit der komplexen Materie zunächst überfordert.
Gleichwohl ist es sicherlich auch für sie wichtig gewesen, an diesen elementaren Themenbereich herangeführt worden zu sein.

Für die beteiligten Teamer, Jugendgerichtshelfer und Bewährungshelfer soll der sehr positive und konstruktive Gruppenverlauf hervorgehoben werden.
Im Rahmen von methodischer Gruppenarbeit wird stets wieder deutlich, daß bei einzelnen Teilnehmern nicht vermutete Fähigkeiten im Bereich der Verbalisierung, persönlicher Hilfestellung in der Gruppe und sozialer Handlungskompetenz gefördert werden.
Es ist mit dem experimentell zunächst einmalig durchgeführten Sozialen Trainingskurs gelungen, die Probanden themenzentriert mit ihrer Schuldenproblematik zu konfrontieren und gemeinsame Lösungswege aus der "Schuldenfalle" zu erarbeiten.

Die zunächst als erste Anregung dienende Software wurde im Verlauf der Gruppenarbeit nicht mehr eingesetzt, da rasch deutlich wurde, daß die Verschuldenssituation von Bewährungshilfe-Probanden zu der in den Videoclips und Demonstrationen im Rahmen der Software dargestellten Lebenslagen deutlich unterschiedlich ist und für die Probanden, abgesehen von ihrem unbestreitbaren Unterhaltungswert, keinerlei Identifikationsmöglichkeiten bietet.
Zugunsten eines lebendigen Gruppenprozesses, der Diskussion mit den "Experten", sowie der individuellen Erarbeitung sinnvoller Schulden-Bewältigungsstrategien wurde daher auf den Softwareeinsatz einvernehmlich verzichtet.
Es kann so zusammenfassend von einem erfolgreichen Gruppenexperiment gesprochen werden, das zur Wiederholung in geeignetem Rahmen anregt.

Weitere Informationen beim Verfasser:

Hans-Joachim Wendt
Hauptamtl. Bewährungshelfer bei der
Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport
Oehlertplatz 12
12169 Berlin
Tel/FAX: 030/795 16 55
eMail: Hajo.Wendt@bewaehrungshilfe-berlin.de

Erstbearbeitung:
Ekkehard Will /Prakt
Guineastr. 10
13351 Berlin
Tel.: 030/ 451 26 74
 

Protokolle der Sitzungen

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